In der letzten Ausgabe habe ich vom KI-Konzert meiner Klasse erzählt, das wir gemeinsam mit Hanni Liang und Ali Nikrang entwickelt haben.
Ein Konzert in Memmingen oder: Wenn KI sich selbst promotet
Da das Konzert großes Interesse erzeugte, waren wir auch von einer kleinen, aber feinen neuen Konzertreihe („Musik hier und jetzt“) ins schöne Memmingen eingeladen worden. Speziell für dieses Konzert mussten wir das Konzert ein wenig anpassen: Anders als bei unserer Kooperation mit den Münchner Philharmonikern stand uns zum Beispiel kein Orchester zur Verfügung (wir kamen also mit Streichquintett), auch einen selbstspielenden Flügel gab es in Memmingen nicht. Also machte sich eine Studierende an die Aufgabe, den von der KI komponierten und für Menschen eigentlich unspielbaren Solopart des „Klavierkonzerts“ für eine vierhändige menschliche Realisierung umzuschreiben, eine unglaublich aufwändige Arbeit, die mit Bravour gemeistert wurde, aber natürlich auch die Frage aufwirft, ob dies das Schicksal zukünftiger Generationen sein wird: das, was die KI ausspuckt, für Menschen herunterzubrechen, da wir schon längst nicht mehr mit der KI mitkommen.
Aber um eben diese Fragen und die Ambivalenz dahinter ging es ja in unserem KI-Projekt, das wir keineswegs als Werbeaktion für KI verstanden wissen wollten.
Das Konzert in Memmingen fand vor circa 30 aufmerksamen Zuhörern statt – für unsere kleine Studierendendelegation aus München war es eine schöne Erfahrung und es gab einen guten Austausch mit dem interessierten Publikum. Ein paar Tage später gab es eine Kritik in der Lokalzeitung. Der Kritiker zeigte sich wenig begeistert von der ganzen Präsentation, die er insgesamt als unverständlich empfand, vor allem meine ausführlichen Erklärungen der einzelnen Stückkonzepte. Es war eindeutig zu spüren, dass der Kritiker sehr gegen KI eingestellt war, vielleicht unterliefen ihm deswegen auch einige handwerkliche Fehler. So behauptete er, dass Personen im Konzert auftraten, die zwar inhaltlich beteiligt, in diesem Fall aber gar nicht anwesend waren (Ali Nikrang zum Beispiel). Und er war auch der festen Überzeugung, dass ein selbstspielendes Klavier zum Einsatz gekommen war, obwohl auch das, wie beschrieben, hier nicht stimmte.
Ein paar Tage später bekam ich einen Google Alert zu unserem Konzert. Ein aufwändiger englischer Artikel auf einer polnischen Website mit dem Titel „This AI Orchestra Will Make You Question Everything You Know About Classical Music“ von einer „Amber Bright“. Schon nach wenigen Zeilen wurde mir beim Lesen klar, dass dies ein eindeutig KI-generierter Text sein musste (die man sofort an den langweiligen und durchschnittlichen Formulierungen erkennt). Aber der Inhalt erstaunte mich, denn es handelte sich um nichts anderes als einen „Remix“ des Memminger Artikels, mit Übernahme aller inhaltlichen Fehler desselben. Nur mit einem wichtigen Unterschied: alles Kritische war ausgemerzt worden, stattdessen präsentierte der neue Artikel das ganze Konzert als absolut bahnbrechend und von weltbewegender Bedeutung und endete mit den Worten „Wie auch immer man KI bewertet – als Werkzeug, künstlerischer Partner oder Inspirationsquelle – ihre Rolle in der Musikindustrie ist nicht mehr wegzudenken“.
Was war geschehen? Es gibt nur eine Erklärung: Bots durchsuchen gezielt das Internet nach Artikeln über die musikalische Verwendung von KI und deuten diese in positive Propaganda dafür um. Es ist noch nicht einmal sicher, ob hier ein menschlicher Wille dahintersteht (außer vielleicht dem Erteilen dieser Aufgabe) – die KIs beginnen, unsere Meinung nun selbstständig zu beeinflussen, um Werbung für sich selbst zu machen. Die Biografie von „Amber Bright“, die den Artikel begleitenden Bilder – alles eindeutig KI-generiert, kein Mensch war hier beteiligt.
Das lässt nur den Schluss zu, dass man uns vielleicht bald nicht mehr braucht. Die KI ist sich selbst genüge und eines ist sicher: Sie findet sich selbst ziemlich großartig!
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