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Ferchows Fenstersturz (2009/05)

Untertitel
Positive Prügel
Publikationsdatum
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Na also. Endlich ein deutscher Musiker mit Courage und Engagement. Dazu noch aus dem Osten. Einer, der mit seiner heldenhaften Tat im wahrsten Sinne des Wortes Brücken zwischen West- und Ostmusikern schlägt. Der vorangeht und den erbärmlich verarmten Fanmob, der jedem Künstler doch bloß im Weg steht, endlich in die Schranken weist. Vorbei die Zeiten, in denen man neidisch auf die wüsten Raufereien der Oasis-Brüder in Manchester schielte. Tom Kaulitz, käsiger Zwillingsbruder des aufgedonnerten „Tokio Hotel“-Mangas Bill Kaulitz, setzte ein Zeichen und prügelte anlässlich eines Tankstellenaufenthalts das lästige weibliche Fan-Gesocks mal ordentlich durch die Zapfsäulen.

Besaß doch so eine „Bitch“ die Frechheit, den Gitarristen in seinem Audi R8 zu fotografieren. Nicht mit Kaulitz. Jener fluppte der aufsässigen „Tokio Hotel“-Anhängerin zunächst eine brennende Kippe entgegen und sprang dann, vor Wut schäumend ob der unverschämten Fotoattacke, aus seinem Wagen, um die Holde durch den Monsun zu dreschen. Sagt der Polizeibericht. Und soll eine Überwachungskamera beweisen.

Nebenbei wirft dieses Verhalten knallharte moralische Fragen auf: Ist es gefährlicher, eine brennende Kippe an einer Tankstelle zu entsorgen oder als Idol vieler Minderjähriger generell zu rauchen? Ist es sinnvoll junge Ostmusiker, die gerade so der SBZ entkommen sind und behutsam an die Bananentöpfe der Marktwirtschaft herangeführt wurden, mit einem Audi fahren zu lassen? Und wäre es nicht besser gewesen, den Kaulitz-Flegel durch die Mühlen der staatlichen Schule zu quälen, statt sein Spatzenhirn mit Privatunterricht zu füttern? Nun, Kaulitz wird sich verantworten müssen. Davon kann er ausgehen. Vor Mama und Stiefpapa. Und vorm geschäftstüchtigen Manager. Da werden Fragen kommen. Unbequeme.

Beispielsweise, ob er mit der Aktion nicht hätte warten können, bis die Band das nächste Album promotet? Denn Schlag-Zeilen seien stets gute Verkaufsargumente. Oder ob er mal dran gedacht habe, was er seiner Schwester, äh seinem Bruder Bill damit antue? Schließlich würde der sich seit Bekanntwerden des Vorfalls mehrere Tonnen Eyeliner aus den Augen heulen.

Überraschende Unterstützung erhält Tom Kaulitz aus einem Lager, in dem das Muttersöhnchen bis vor ein paar Wochen noch als potentielles Opfer gehandelt wurde. Die Rap- und HipHop-Posse quittierte Kaulitz‘ Handgreiflichkeiten mit dem in der Szene üblichen Ritterschlag „Respekt, Alder“. Und gewiss wird Superprolet Bushido, selbst bekennender Prügler, an einer derart vorbildlichen Grundaggression nicht vorbei kommen und Tom Kaulitz eine Rolle in der filmischen Umsetzung seiner Biographie anbieten müssen.

Fehlt nur noch ein Kommentar von Alice Schwarzer, die mit tränenreichem Emanzengewäsch was über die Würde der Frau flötet. Dabei würden allerdings beide Seiten in ihren Reaktionen das einzig Positive an diesem Vorfall übersehen: Tom Kaulitz hätte auch Mitglied eines Schützenvereins sein können.

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