Die Oper in der großen Stadt Leipzig ist immer wieder gut für eine Fortsetzungsgeschichte. Die ersten Kapitel haben wir schon in der diesjährigen Juni-Ausgabe der neuen musikzeitung erzählt. Kurz zusammengefasst und wiederholt: Ein Komponisten-Intendant lockt mit vielen Uraufführungen die auswärtige Kritik an und vertreibt das treue Abo-Publikum aus dem Musentempel. Ein neuer Intendant, aus dem fernen Montpellier, erobert das Abo-Publikum zurück, weil er der Ansicht anhängt, dass ein leeres Theater schlimmer ist als ein etwas konservativerer Spielplan. Die Stadtväter knausern mit dem Geld, möchten aber gern überregionalen Glanz. Sie locken einen international berühmten Kapellmeister (Riccardo Chailly) zum ebenso berühmten Gewandhaus-Orchester, das zugleich das Leipziger Opernorchester stellt. Der berühmte Dirigent erscheint zwar kaum am Pult in der Oper, findet gleichwohl den Monsieur Intendant, der keinesfalls so provinziell ist wie seine Leipziger Umgebung, zu provinziell und verlangt dessen Ablösung. Das Stadtregiment folgt gehorsam dem Verlangen, obwohl es gerade den Intendantenvertrag um fünf Jahre verlängert hatte. Seither spielt der Intendant den hoch dotierten Spaziergänger. Plötzlich erscheint der Stadt die eigene Oper offenbar zu provinziell. Die Musikkritiker sollen wieder anreisen, und deshalb braucht es einen aufregenden Künstler: Ein Chefregisseur namens Peter Konwitschny wird hinter dem Rücken des berühmten Kapellmeisters engagiert und mit allen Vollmachten ausgestattet.
Selbstverständlich lässt sich Letzterer das nicht gefallen. Er kehrt der Oper besagten Rücken, will nur noch Gewandhaus-Konzertmaestro sein und im Übrigen am liebsten an der Mailänder Scala arbeiten, wo er sicher Riccardo Mutis Nachfolger geworden wäre, wenn er sich nicht voreilig an Leipzig gebunden hätte.
In der Leipziger Oper geht natürlich der alltägliche Betrieb routiniert weiter. Irgendwelche Leute, die nach einem Posten gieren, findet man immer. Immerhin verlässt der noch von Chaillys Gnaden eingesetzte Haus-Dirigent für den Opernalltag die Stätte der immerwährenden Konfusionen, weil er eine ruhigere Arbeit in Düsseldorf gefunden hat. Damit die Leipziger Oper nicht aus der permanenten Chaos-Übung kommt, engagierte man jetzt für Wagners „Fliegenden Holländer“ einen jungen Regisseur zum Austoben. Ein neuer Regisseur kann heutzutage nur Karriere machen, wenn er einen Koffer voller kurioser Einfälle und wirrer Videos mitbringt. Leipzigs Opernbürger flüchteten scharenweise und protestierend aus der Premiere. Wenigstens war das Haus wieder einmal in der überregionalen Presse, sogar in der Bildzeitung. So schließt sich der Kreis: überregionale Beachtung und leere Parkettreihen. Und der einheimische Steuerbürger zahlt die Subventionen. Dadurch entsteht zwar keine weltweite Finanzkrise, aber ein Skandal ist es auch.