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Geld regiert die Welt

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Wir müssen uns heute mit dem Phänomen auseinandersetzen, dass die Menge der eingesetzten Mittel fast ganz ohne anderes Zutun ästhetische Kriterien aufstellt. Es ist ein Hollywood-Prinzip. Ein Flop wird sich nicht geleistet. 200 Millionen Einsatz müssen sich amortisieren – und sie amortisieren sich in der Regel. Es wäre zu einfach, wenn man behaupten würde, dass allein die über die großzügig verfügten Mittel in Gang gesetzten PR-Mechanismen, dazu ein Gefügigmachen der Kritik et cetera den Erfolg schlicht billig erkaufen würden. Das sind flankierende und unverzichtbare Maßnahmen, aber sie machen doch nicht das Wesentliche aus. Gesagt werden muss, dass ab einem gewissen Einsatz von Finanzkraft – die Höhe ist je nach der gesellschaftlichen Randlage bestimmbar – Quantität in Qualität oder wenigstens den Schein von Qualität umschlägt.

Geld macht Geld. Das wissen wir über die Aktien, bevor die Welt wieder einmal auf die Schnauze fällt. Nordlichter eines „Big Crash“ leuchten ja schon manchmal. Aber danach macht Geld auch wieder Geld. Doch Geld kann auch Kultur oder zumindest den Schein von Kultur erzeugen. „Geld regiert die Welt“ heißt es im in den Forggensee gestampften Musicaltheater „Ludwig II.“. Und dieser Song ist es wohl, der wieder den meisten Gewinn abwirft. Wir müssen uns heute mit dem Phänomen auseinandersetzen, dass die Menge der eingesetzten Mittel fast ganz ohne anderes Zutun ästhetische Kriterien aufstellt. Es ist ein Hollywood-Prinzip. Ein Flop wird sich nicht geleistet. 200 Millionen Einsatz müssen sich amortisieren – und sie amortisieren sich in der Regel. Es wäre zu einfach, wenn man behaupten würde, dass allein die über die großzügig verfügten Mittel in Gang gesetzten PR-Mechanismen, dazu ein Gefügigmachen der Kritik et cetera den Erfolg schlicht billig erkaufen würden. Das sind flankierende und unverzichtbare Maßnahmen, aber sie machen doch nicht das Wesentliche aus. Gesagt werden muss, dass ab einem gewissen Einsatz von Finanzkraft – die Höhe ist je nach der gesellschaftlichen Randlage bestimmbar – Quantität in Qualität oder wenigstens den Schein von Qualität umschlägt. Da singt unser multimedialer Moderator Stefan Raab sein unsägliches „Wadde hadde dudde da“ und das wird mit viel Vorschub auch via Internet auf die Reise geschickt. Da wird nahe Füssen ein Musical-Theater hochgezogen und mit Klang und Farbe dekoriert. Das sind Ereignisse, so banal, so fadenscheinig, so berechnet sie auch wirken mögen, denen sich niemand entziehen kann. Zumindest als Spötter muss der seriöseste Kulturberichterstatter darauf reagieren – und selbst wenn er schweigt gilt das als Stellungnahme. Und von diesem Punkt an geraten die ästhetischen Debatten in einen Strudel. Vom Ernst einer Auseinandersetzung, wie sie einst, freilich von Stellvertretern, etwa zwischen Bruckner und Brahms ausgetragen wurde, kann natürlich keine Rede mehr sein.

Doch darum geht es auch gar nicht. Angesichts der in Gang gesetzten Mittel werden jede noch so dürftige Banalität, jedes inszenierte Klischee, jeder flapsige Witz in die Debatten über Wirkungsmechanismen der Kultur geworfen.

Nur durch ihre massive Präsenz werfen die Ereignisse, so fadenscheinig sie auch immer sind, auch ganz ohne eigenes Zutun ihre kritisch reflektorischen Spiegelbilder aus. Und in diesen Sog haken sich die Verwertungsmechanismen, die den Strudel dann auch wieder neu energetisch aufladen, ein.

Nur ein Gedankenexperiment: Franz Hummels „Ludwig II.“, exakt die gleiche Musik, wäre am städtischen Theater in Landshut herausgekommen. Über einen Anerkennungserfolg wäre man wohl kaum hinausgekommen. Und Barbarinos Inszenierung auf einer Augsburger Bühne? Kitsch und Größenwahn hätte das Urteil gelautet! Und „Wadde hadde dudde da“ hat wohl schon manch Angeturnter nach durchzechtem Abend in den Bart gemurmelt. Nichts davon wäre ästhetisches Ereignis.

Wohlgemerkt: Das ist kein Versuch zu simpler Relativierung. Auch umgekehrte Modelle wären denkbar. Hinter einen experimentellen Musiktheaterversuch lassen sich kaum die Millionen spannen, die „Ludwig II.“ anschieben. Geschähe es, täten sich absurde Leerläufe auf. Im abgestimmten Funktionieren von Geld und kultureller Tat liegt ein Gutteil des zumindest momentanen Gelingens, das heißt des rentablen Verwertens. Durch die in Gang gesetzten Mittel aber werden ästhetische Auseinandersetzungen automatisch erzwungen. Und es geht gar nicht mehr darum, ob der kulturelle Gegenstand die Vehemenz der Debatte überhaupt aushält oder ihr sogar Paroli zu bieten vermag.

 

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