Neulich, in der Pause eines angesagten Nerd-Festivals im Südwesten der Republik, lief mir eine Großkritikerin über den Weg. Ich mümmelte an einer Brezel und wagte das Unfassbare – ich sagte: „Guten Tag, Frau...“ Sie schaute irritiert auf meine Brezel, erwiderte „Ja“ – und entschwand wichtig. Mir wollte die Entgegnung „Ja“ auf die Grußformel „Guten Tag“ nicht sofort einleuchten, aber immerhin: Es war die erste Silbe Aufmerksamkeit ever und ich bleibe optimistisch.
Da kam mir – Punkt eins meines Forderungskatalogs – etwas Verrücktes in den Sinn: Wie wäre es, wenn wir höflich blieben und ein paar altmodische Umgangsformen auf ihre Tauglichkeit in der Gegenwart hin positiv evaluierten? Hätte besagte Großkritikerin vielleicht zwei Silben für mich gehabt, wüsste sie, dass meine Manieren gar vorzüglich sind? Aber – logo – sie kann es nicht wissen, wenn sie nicht mit mir spricht.
Womit ich bei Punkt zwei wäre: Dem miteinander sprechen. Es ist ja so: Vor einer Uraufführung darf man manchmal in Mikros quatschen und sich eitel in Aufmerksamkeit suhlen. Danach füge man sich in sein Schicksal und schweige, so jedenfalls das ungeschriebene Gesetz. Wenn der Kritiker eine Celesta nicht von einem Harmonium unterscheiden kann: Schweig!
Warum, frage ich mich, werden Fußballer nach einem wichtigen Spiel befragt, aber wir nicht? Wäre doch eine riesen Show: Kritik müsste man in Anwesenheit des Kritisierten üben, man müsste sich gegenseitig aushalten! Und man könnte dann sogar „Guten Tag!“ sagen.