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Katzen für Arbeitsplätze?

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In diesen Zeiten mag es schon mal passieren, daß sich das wirklich Nützliche in ein unnütz Wirkliches verkehrt. So erging es Andrew Lloyd Webber, dem Künder einer totalitären Musiktheaterauslastung durch geschickt infiltrierte Niveauabsenkung. Musical hieß das Allheilmittel, das von Webbers PR-Company “Really Useful“ weltweit propagiert und vermarktet wurde. Jeder um seine Existenz fürchtende Theaterbetrieb warf sich in die Arme dieser leichten Muse und begann verliebt von einer rosigen gemeinsamen Zukunft zu säuseln. Dieses Tête-à-tête des altersschwachen Betriebs mit dem leichten und willigen Junggeschöpf erlitt vor kurzem einen Dämpfungsschock. Man sprach von einem drohenden finanziellen Desaster in zigfacher Millionenhöhe. Der Cats-Barde, der zuvor schon bei “Really Useful“ personell aufgeräumt hatte, sah seinen Geldbeutel auf fatale Weise bedroht. Die Schuld wurde unökonomisch wirtschaftenden Theaterbetrieben gegeben, darunter den “guten aus deutschen Landen“ (die viel mehr Menschen für die Katzen brauchen als vergleichbare Unternehmungen in England). Dem Horrorszenario mit Pleitegeier folgten nun dpa-Jubel -nachrichten auf den Fuß, die von einem ermüdungserscheingslosen Katzenspektakel ganz ohne Jammer von New York bis Hamburg kündeten. Als Garnierung - wirksam in diesen Zeiten - wurde arabesk der Hinweis auf die Katz-geschaffenen Arbeitsplätze eingeflochten. Doch die Appretur aus diesen euphoriegetränkten Botschaften ist raus. Die Liaison des gesetzten Herren mit der leichten Muse - mit garantiertem Erfolgsgütesiegel - könnte für die Katz gewesen sein. Reinhard Schulz Cluster Seite 4 Autor: Reinhard Schulz Letzte Aktualisierung erfolgte am 02.01.98 Anmerkungen zur öffentlich-rechtlichen Musik Ab der Saison 1997/98 steht die renommierte, in letzter Zeit aber immer mehr an aktueller Bedeutung abnehmende Münchner “musica viva“-Reihe unter der neuen Leitung von Udo Zimmermann. Auch wenn man den Vorschub abzieht, den jede Amtsübernahme mit sich bringt, bleibt das Ergebnis sensationell. Der Rundfunk - dies in Zeiten allgemeiner Sparwut! - steuert etwa eine Million Mark mehr bei. Wenn man schon eine Reihe für Neue Musik ausrichtet, dann so, daß sie in ansprechender und inhaltlich fundierter Form dargeboten werden kann - so die öffentlich-rechtliche Logik, die in bezug auf zeitgenössische Musik keineswegs eine selbstverständliche ist. Das Programm für die nächste Saison liest sich aufregend. Wie Phönix aus der Asche entsteht plötzlich wieder ein über lange Jahre vernachlässigtes Gesamtbild des relevanten gegenwärtigen Musikschaffens. Karl Amadeus Hartmanns grundlegender Gedanke, die lebendige Musik der Zeit zu präsentieren, dabei das Aktuelle mit Klassikern der Moderne zu konfrontieren, erlebt auf glückliche Weise ihre Fortsetzung. Die Münchner können sich auf (lange vermißte) Namen wie Newman, Cowell, Stockhausen, Vivier, Feldman, Goebbels, Nancarrow, Ferrari - um hier eher die Klassikerseite zu nennen -, sowie auf viele andere wichtige Komponisten der Gegenwart freuen. Die Wiederbelebung einer Reihe, die sich das Leben auf die Fahnen schrieb, steht an. Reinhard Schulz Cluster Seite 4 Autor: Claus-Henning Bachmann Letzte Aktualisierung erfolgte am 02.01.98 Jagdschein für das Ungeheuerliche Es gibt Nachrichten, die glaubt man nicht, auch wenn man sie aus seriöser Quelle hört. Eine solche war die, daß ein Mitglied des Orchesters der Deutschen Oper Berlin eine Getränkerechnung seines Hotels in Tel Aviv mit “Adolf Hitler“ unterschrieben habe. Erste Reaktion: Der Mann war stockbesoffen - aber was würde das entschuldigen? Juhnke fällt einem da ein: Hat der nicht auch im Suff rassistische Dummwörter ausgestoßen – oder nur Dumpflaute gelallt oder ...? “Adolf Hitler wird die Rechnung bezahlen“ (so der Kontrabassist R., Kammermusiker und Hochschullehrer, zur Kellnerin): Das klingt weniger nach Suff als nach Selbstentlarvung, ähnlich der von Wagners “jüdischer“ Haßfigur Mime, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Zweite Reaktion: Diesen Eklat hat das Haus nicht verdient, aber gingen jüngst nicht Interview-Äußerungen des neuen GMDs Christian Thielemann von zumindest problematischer deutsch-nationaler Tönung durch die Presse, Äußerungen, die der Apologet der Werke Hans Pfitzners selbstverständlich “so nicht gemeint hat“? Ein Schelm, wer sich daraus einen Zusammenhang konstruiert ... Gleichwohl: der in Israel entstandene fact ging einen Tag lang durch die Nachrichtensendungen, zumindest in Berlin, und die Wiederholung trug zum Verständnis nicht bei. Unfug, darüber zu spekulieren, ob dem Mann der “Jagdschein“ zugebilligt werden kann, oder ob wir “wieder soweit sind“, dergleichen als Extremfall der Normalität einordnen und ahnden zu müssen. Es ist einfach nicht hinzunehmen. Der junge Goldhagen, der in manchem sicher nicht recht hat, sah aus der Ferne dennoch klar: Es gibt einen spezifisch deutschen Antisemitismus, der Ungeheuerlichkeiten hervorbringt. Claus-Henning Bachmann Cluster Seite 4 Autor: Jörn Arnecke Letzte Aktualisierung erfolgte am 02.01.98 Die Frau als Mann und Briefmarke Das Postamt mag ein seltsamer Ort sein, um über Musik zu sprechen. In diesem Fall aber trifft der Schalterbeamte den Nagel auf den Kopf - auf den Lockenkopf von Fanny Hensel nämlich: “Nach der fragen sonst nur Frauen“, knurrt er, als der männliche Kunde darauf besteht, die Briefmarke mit ihrem Bild zu kaufen. Fanny Hensel, geborene Mendelssohn - ist sie immer noch allein angestrahlt vom lila Licht der Frauen-Festivals, ansonsten im Schatten ihres Bruders Felix, ein Fall für die Verwandschaftsforschung? Wer kümmert sich darum, daß ihr 1997 das gleiche Gedenken gilt wie Felix - denn beide starben 1847, also vor 150 Jahren? Wer spielt, hört, liest ihre Werke? Es mutet schon erstaunlich an, daß es 29 CD’s mit Musik von ihr im Handel gibt - aber Felix hat 932 zu bieten, und diese Zahl ist sozusagen mehr als Fanny zum Quadrat. Wenig nützt es, lediglich aus Mitleid sich für die vernachlässigte Komponistin einzusetzen, die der Vater nur bis zu einer klaren Grenze fordern wollte: “Die Musik wird für Deinen Bruder Felix vielleicht zum Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals aber Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann“, schrieb er 1820 an sie. Sie solle sich lieber “zu ihrem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf des Weibes, zur Hausfrau bilden“. Noch weniger wird man ihr gerecht, sie als Anhängsel ihres Bruders zu betrachten. Daß Lieder von ihr unter Felix’ Namen veröffentlicht wurden, störte sie zunächst nicht weiter. Am Ende ihres Lebens aber ließ sie Werke gegen seinen Willen drucken, und das führte zu einem schweren Zerwürfnis der Geschwister. Mag die Musik der beiden sich auch ähneln - Fanny ist doch ein eigener Kopf mit eigenwilligen Ideen, eigenwilligen Klangvorstellungen. Offenbar hat wenigstens die Post erkannt, daß es bei ihr eine Menge zu entdecken gibt. Dort genießt sie hohe Wertschätzung, kostet drei Mark pro Marke - der Schubert Franz ist mit seiner Sondermarke schon für eine zu haben. Jörn Arnecke

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