Wenn diese Nummer der nmz erschienen ist, sind es nur noch wenige Tage, bis ein Ereignis seinen Lauf nimmt, vor dem mir inzwischen Himmelangst ist: die Fußballweltmeisterschaft. Wahrscheinlich ist es der nmz bis dato gelungen dieses Thema aus ihren Seiten herauszuhalten – so genau lese ich sie nicht – aber nun ist es doch so weit.
Jedoch nicht über den Fußball selbst möchte ich mich auslassen, das Spiel, mit dem sich die Intellektuellen (und damit wohl auch die meisten nmz-Leser) noch immer so schwer tun. Nein, denn über das Spiel an sich gibt es nichts Schlechtes oder Schlimmes zu berichten. Ganz im Gegenteil. Das haben inzwischen sogar einige wenige der oben Genannten gemerkt und stehen – selbstverständlich inkognito – regelmäßig auf den Zuschauerrängen mancher Fußballplätze oder Stadien.
Was habe ich mich in der Vergangenheit immer auf solche Turniere wie WM oder auch EM gefreut. Denn rein fußballerisch sind solche Ereignisse durch-aus etwas Besonderes. Doch diesmal ist es anders. Die Freude auf die WM im eigenen Lande ist mir, Spross einer Fußballerfamilie und Sohn eines ehe-mals vereinskickenden Intellektuellen gründlich vergangen. Warum? Diese WM ist ein Monster. Diese WM hat schon lange nichts mehr mit Fußball und dem Spaß daran zu tun. Der Fußball ist lediglich das Feuerchen auf dem unzählige Süppchen gekocht werden.
Noch vor ein paar Wochen wurde gefragt, ob die WM uns einen Aufschwung bescheren könne, beziehungsweise den Aufschwung, den die Große Koalitze – war’s im April? – ausgerufen hat, zu katalydingsbumsen. Inzwischen wird das schon gar nicht mehr gefragt, sondern als Fußballgottgegeben dahingestellt. So abgedroschen diese Worte auch klingen mögen: Brot und Spiele. Das war schon bei den Römern so und trifft heute das Politikum Fußball (denn ein Faszinosum ist er schon lange nicht mehr) exakt mitten auf den vom vielen Köppen verblödeten Schädel. Politiker aller Couleur nutzen das bunte Treiben um ihre teils düsteren und verqueren politischen Ideen in die Realität umzusetzen. Einer will ja sogar das Militär aufmarschieren lassen, um die quietschige Stimmung, die demnächst in Fußball-Deutschland herrschen wird, straff und effizient zu organisieren. Schlimm genug sind sie ja, die Politiker, wenn sie versuchen, solch ein Ereignis für sich selbst gewinnbringend umzusetzen. Da muss sogar der Staatsanwalt einschreiten, um das korrumpierte Verschenken von WM-Tickets durch Staatsdiener zu durchleuchten. Am Schlimmsten aber gebärden sich die WM-Protagonisten der Flimmermedien. Insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen und deren Sprechfinken. Denn die Anstalten haben es sich zur ehernen Pflicht gemacht, die Privaten vom „Thron des gesendeten Dummsinns“ zu stoßen (was nicht nur für die Sparte „Sport“ gilt). Denn anders lässt sich das nicht erklären, was hier auf uns gebührenzahlende Hingucker gehetzt wird. All die Beckmanns, Kerners, Schmidts, Hartmanns, Poschmanns, Del-lings, Netzers, Beckenbauers und wie sie alle heißen, die uns stets pumperlgsund ihren Sachverstand und ihre unerträglich gute Laune in die bereits ach so wunde Fresse hauen. Stunde um Stunde. Tag um Tag. Harry um Waldi. Und dazwischen immer wieder „Und Rahn müsste schießen! Rahn schießt! Tor, Tor, Toooor!!!“ Ich kann es nicht mehr hören. Ich kann es nicht mehr hören.
Selbst wenn ich tunlichst Sendungen meide, die auch nur ganz entfernt irgendetwas mit Fußball zu tun haben könnten... – plötzlich, aus heiterem Himmel: „Und Rahn müsste schießen! Rahn schießt! TOR, TOR, TOOOOR!!!“ Man könnte gerade meinen, die 54er-WM sei das einzige historische Ereignis, aus dem wir Deutschen, das Volk der Richter und Henker, so was Ähnliches wie Selbstwertgefühl schöpfen.
Ich schöpfe daraus inzwischen nur noch Übelkeit und Angst davor, dass Deutschland irgendwie vielleicht doch Weltmeister werden könnte. Nicht auszudenken. Trotzdem werde ich natürlich Spiele dieser WM anschauen. Logisch. Haben Sie sich mal den Sturm der „Tre Kroners“ angeschaut? Henrik Larsson, Zlatan Ibrahimovic und Fredrik Ljungberg. Mannmannmann, da schnalzt doch jeder Fußballfreund mit der Zunge. Leute, die Schweden müssen wir auf der Rechnung haben. Auch wenn Brasilien sowieso wieder Weltmeister wird.