Kennen Sie Dr. Udo Witthaus? Auch nie gehört? Er ist Kulturdezernent der Stadt Bielefeld (die es ja gewissen Gerüchten zufolge gar nicht gibt). Gegenbeweis: In einem Offenen Brief klagen die fast 350 Mitarbeiter des Bielefelder Theaters den vermeintlichen Kulturmenschen Witthaus an, maßgeblich am lokalpolitischen Beschluss einer Sparvorgabe beteiligt gewesen zu sein. Um 600.000 Euro soll der Etat für die städtischen Bühnen und Orchester ab 2018 schrumpfen. Eine existenzgefährdende Amputation, die der kommunale Kulturverantwortliche laut Offenem Brief noch intensiver betrieben hat als der städtische Finanzausschuss. Der Bock als Gärtner?
Solcher Stil der kulturellen Landschaftspflege mittels der Gifte Inkompetenz, Feigheit oder rein zahlengesteuertem „Kunstverständnis“ ist inzwischen hierzulande weit verbreitet. Welche Kulturdezernentin, welcher Kulturreferent – sieht man vielleicht von Münchens Hans-Georg Küppers ab – hat in dieser Republik aufgrund seiner Leistungen noch einen gewissen Bekanntheitsgrad, eine Ausstrahlung? Viele werkeln graumäusig und oft auch noch subaltern vor sich hin (es mag auch stille „Gute“ geben). Dennoch: ein allgemeines Degenerations-Symptom für die Wertschätzung von Kunst und Kultur in Deutschland.
Kaum weniger elend sieht es politisch-hierarchisch betrachtet eine Etage höher aus, auf Bundeslands-Ebene. Da platziert in Nordrhein-Westfalen die SPD sichtlich aus reinem Partei-Proporz Christine Kampmann (eine Frau muss es sein, die aus Ostwestfalen-Lippe kommt) auf den Posten der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport. Zwar mag sie in Sachen „Vorratsdatenspeicherung“ dank ihrer Bachelor-Arbeit gewisse Kenntnisse mitbringen – im künstlerischen Bereich gilt sie als unbeschriebenes Blatt. Niedersachsens Kultusministerin Gabriele Heinen-Kljajic, diesmal Grün, hat als Stipendiatin im Forschungsprojekt „Rüstungskontrolle in Westeuropa“ der VolkswagenStiftung wohl kompensatorisch allenfalls Interesse an Soziokultur. Aufmerksamkeit für Theater und Orchester scheint ihr überflüssig, eher störend.
Ganz trüb die Lage in fast allen neuen Bundesländern. Sachsen-Anhalts vorgeblicher Musenboss Stephan Dorgerloh (schon wieder SPD) lässt von einem teuren, später beiseite geschobenen Expertenzirkel kulturelle Zukunftsperspektiven entwickeln, die im Papierkorb landen, um wenig später kompetente und widerständige Leiter von Kulturinstitutionen wegzuekeln. Thüringens Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Benjamin Hoff (diesmal: Die Linke) startete mit fetten Sprechblasen zur Kulturförderung und ist jetzt dem Verein „Rasendes Rückwärtsrudern“ beigetreten. Und den Namen des Meck-Pomm-Musen-Mörders Mathias Brodkorb mag man schon gar nicht mehr in den Mund nehmen. Was er in den wenigen Jahren seiner Amtszeit in ratloser Kopulation mit sogenannten externen Beraterfirmen aus dem Rotstift-Milieu an Flurschaden angerichtet hat, geht auf keine hundert uckermärkische Kuhhäute. Fazit: Bildung, Kultur und Künste brauchen für ihre gesellschaftliche Vertretung dringend kompetentes, standhaftes Personal. Gerade in Zeiten, da Kulturvermittlung eine existenzielle Grundlage für die künftige Entwicklung unseres Landes liefert. Bloß: Woher nehmen und nicht stehlen …