Als regelmäßiger Leser von Frau im Spiegel, Men’s Health, Gala und Fürstenhochzeiten live hielt ich mich sozial für umfassend informiert. Damit nicht genug: Etliche weitere teure Spezial-Print-Produkte nutzte ich als Quellen für meine vielseitigen und (einstmals) begehrten Artikel. Aber: Was für eine Welt! Da schuftet man sich 50 Jahre ab, um Ereignisse aller Art, vom selbstmordgenerierenden Befall der weiblichen Gottesanbeterin durch einen Fadenwurm bis hin zur KI-gesteuerten Augenlinsenoperation, von der Niederlage Russlands im Ukraine-Krieg bis zur Wiederwahl von Donald Trump als Präsident von Sanifair zuverlässig und wahrheitsgetreu zu recherchieren, journalistisch aufzubereiten – dann wird man wegen eines Mini-Fehlers aus allen halbwegs seriösen Medienverteilern gestrichen. Womit soll ich angesichts einer monatlichen Rente von fünf Euro meine tägliche Tütensuppe bezahlen? Was kann ich dafür, dass Sahra Wagenknecht und Bernd Höcke ihre von mir eigentlich schlüssig dokumentierte intime Beziehung dementiert haben. Eine brutal mit einer Million strafbewehrte Unterlassungserklärung im Wiederholungsfall zuzüglich Anwaltskosten in gleicher Höhe musste ich unterschreiben. Nur weil ich trotz der knallscharfen Fotos im ansonsten zuverlässigen schwedischen Erotikheft „Daglig Knullheter“ Höcke mit Friedrich Merz verwechselt hatte.
Kurz-Schluss – Wie ich einmal Multivisionär wurde und doch völlig ratlos zurückblieb
Um euer Unterhaltungserlebnis zu Hause zu maximieren, ist die Einrichtung des bestmöglichen Entertainment-Centers von entscheidender Bedeutung. Sehen wir uns also die Schlüsselfaktoren an, die ihr bei der Gestaltung und Organisation eures Entertainment-Centers berücksichtigen solltet, von der Auswahl der richtigen Matratzen und den passenden Kameras bis hin zur Optimierung und Organisation der …“
In diesem Moment nehme ich einen sehr unangenehmen Brandgeruch wahr, werde zudem grob hochgerissen. Der synthetische Fuchspelz meines Parkas hat durch Überhitzung des Röhrenmonitors Feuer gefangen und fliegt in hohem Bogen gemeinsam mit dem Parka und mir aus der warmen Stube. Ich erleide ein paar Verbrennungen und Prellungen, drohe mit Klage wegen Körperverletzung und lande im Krankenhaus. Vermutlich aus Versehen: feines Zimmer erster Klasse mit Ferni und Computer. Auf dem Nachttisch eine Visitenkarte: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Ihr Friedrich M. Aha.
Ich bekomme eine Spritze, vermutlich Vitamin C oder LSD. Und schlüpfe in die Gehirne von Nostradamus und Mühlhiasl, Baba Wanga und Alois Irlmaier. Bin ein Quatro-Visionär und produziere kalten Angstschweiß angesichts meiner vermuteten seherischen Fähigkeiten. Schließlich strotze ich vor Lebenserfahrung und bin hemmungsloser Pessimist. Ich höre ein leichtes Summen, warte auf Blitz und Knall, verursacht von einer nordkoreanischen Hyperschall-Rakete. Fürchte mich vor dem Schmelzen. Allerdings wache ich wohl aus einem bösen Traum auf. Und was muss ich sehen: Die Welt ist ein Paradies, mild scheint die Sonne, ich atme frische, reine Luft. Wälder und Wiesen umgeben mich, Vogelgezwitscher. Keine Häuser, keine Autos, keine Straßen. Ein leichter Schmerz rechts über dem Nabel. Ein leuchtender Wundermensch von einer Frau kommt auf mich zu. Sie lächelt und streckt die Hand aus, reicht mir einen Apfel.
Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur
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