Forrest Gumps Mutter hat vollkommen recht, wenn sie sagt: „Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt.“ Leider ist Mrs. Gump nicht im Bereich zeitgenössischer Musik tätig. Wie schade, denn ihrer Einsicht bedarf es dringend. Ich glaube, wir haben ein Überraschungsproblem.
Wie der Zufall es so wollte, hatte ich neulich die Freude und Verantwortung gleichermaßen, in unterschiedlichen Zusammenhängen Anträge für Musikprojekte anschauen zu dürfen. Ich überspitze ein klitzekleines bisschen: Die Themen entsprachen zu gefühlten 87,6 Prozent denjenigen, die zuvor in der TAZ oder im ZEIT-Feuilleton auch schon Thema waren.
Manchmal sollte all dies an einem Nachmittag verhandelt werden, mit Flöte. Ist das noch „woke“ oder schon zynisch? Ich zweifelte. Sind denn wirklich alle freiwillig am twitternden Puls der Zeit… oder ist es gar vorauseilender Antragsgehorsam? Und ach, die arme Musike, du holde Kunst – darfst kaum mehr sein, musst immer bedeuten und schmollen und bedeuten und schmollen. Und dein tagespolitischer „Stachel“ muss zielsicher ins zuvor ausgegebene Motto piksen, sonst verlieren Kuratorinnen und Kuratoren, Pressinnen und Pressen ganz schnell Interesse an dir.
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig! Da wünsche ich mir die Pralinenschachtel zurück. Ist es nicht fad und mutlos, immer das zu bekommen, was man bestellt hat? Erforsche uns, Kurator, und erfahre unser Herz! – rufe ich da und habe doch meine Zuversicht, wenn wir endlich wieder auf Mrs. Gump und einen anderen großen niederländischen Philosophen hören, der uns aus der Gruft zuruft: „Lass dich überraschen!“