Nachdem Leipzigs Kulturleuchttürme bereits zur Chefsache erklärt sind und im Verantwortungsbereich des amtierenden Kulturbürgermeisters Michael Faber lediglich Museen, Bibliotheken, Zoo, Volkshochschule und Marktamt verbleiben, werden die Stimmen aus fast allen Fraktionen im Rathaus lauter, ein Abwahlverfahren gegen Faber einzuleiten. In dieser für ihn bedenklichen Situation sorgt die Frankfurter Rechtanwaltskanzlei Haag Eckhard Schoenpflug für weitere Irritationen.
In einer Pressemitteilung der Kanzlei heißt es, dass Michael Faber die seit 1993 wieder in jüdischem Besitz befindliche Musikbibliothek Peters digitalisieren lassen und an die Erben zurückgeben wolle. „Nach der Vorstellung des Kulturbürgermeisters Faber reichen in Leipzig künftig Kopien der Bibliothek im Computer. Herr Faber hat deshalb die Eigentümer unter Fristsetzung zur Abholung der Bibliothek aufgefordert. Da die Eigentümer das gar nicht können, muss die Bibliothek zwangsläufig auf der Straße landen“, heißt es darin. Auftraggeber der Pressemitteilung sind die Erben von Charlotte Sobernheim. Diese machen nur ein fünftel der gesamten Erbengemeinschaft aus. Charlotte Sobernheim (1898 geb. in Leipzig -1980 gest. in Großbritannien) war eines von sieben Kindern des großen Leipziger Mäzens Henri Hinrichsen, der 1942 im KZ Auschwitz ermordet wurde.
Die Bestände der Musikbibliothek Peters sind eine Dauerleihgabe an die Stadt Leipzig. Mit insgesamt 24.000 Einzelstücken ist sie ein Kulturschatz; neben Büchern, Noten, Briefen, einer Porträtsammlung mit Stahlstichen und frühen Fotografien gehören Handschriften von Bach, Mendelssohn, Robert und Clara Schumann, Grieg, Brahms und Reger dazu. Diese werden in der städtischen Musikbibliothek und im Bacharchiv Leipzig aufbewahrt.
Faber weiß, dass eine Rückgabe der Bibliothek nicht möglich ist. Zum einen sind die Erben der einstmaligen Stifter Max Abraham und Henri Hinrichsen, die in den USA, England und Kanada leben, gar nicht in der Lage, die umfangreichen Bestände zu übernehmen und zu pflegen. Zum anderen wurde im Februar 2009 für die einzigartigen Originalhandschriften vom Freistaat Sachsen ein Aufnahmeverfahren in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter eingeleitet.
Michael Faber hat in einem Statement dazu Stellung genommen. Eine Äußerung zur vermeintlichen Digitalisierung der Bibliothek ist darin allerdings nicht zu lesen.
Statement des Bürgermeisters für Kultur der Stadt Leipzig, Michael Faber, zu den von der Kanzlei Haag Eckhard Schoenpflug erhobenen Vorwürfen:
"Die Musikbibliothek Peters wird definitiv nicht auf der Straße landen. Diese falsche Behauptung wird durch den Anwalt eines Teils des Eigentümergemeinschaft aufgestellt, der allerdings nur 1/5 vertritt und durch 4/5 nicht mandatiert ist. Die Stadt Leipzig weiß um die vielfältigen Verdienste der Familie Hinrichsen in Leipzig und um diesen kulturellen Schatz, der allerdings nicht in ihrem Eigentum steht.
Seit mehr als 5 Jahren befindet sich die Stadt Leipzig in Verhandlungen mit den Eigentümern der Musikbibliothek Leipzig (nmz - gemeint ist offenbar die Musikbibliothek Peters). Seit Frühjahr 2009 wissen alle Beteiligten, dass ein Ankauf nur auf der Basis der vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten möglich ist. Die Stadt Leipzig ist sich mit 4/5 der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich einig über den Verbleib in Leipzig. Sie konnte einen Teil der zum Ankauf benötigten Summe bereits mithilfe des Bundes, des Freistaats Sachsen und der Kulturstiftung der Länder akquirieren. Angesichts der seitens Herrn Dr. Haag angedrohten Zwangsversteigerung der Musikbibliothek Peters und der nicht erfüllbaren Preisforderungen, sah sich das Dezernat Kultur jedoch auch aus haftungsrechtlichen Gründen gezwungen, die Eigentümer mit angemessener Frist bis zum 31. Januar 2011 zur Abholung aufzufordern. Der Fachausschuss Kultur des Stadtrates wurde am 22. Oktober 2010 über die Sachlage detailliert informiert.
Das Dezernat Kultur hat alle Eigentümer für den 25. November 2010 zu weiteren Gesprächen eingeladen. 4/5 der Eigentümergemeinschaft haben ihre Teilnahme durch ihren Vertreter bereits zugesagt. Es entsteht der Eindruck, dass das für den 25. November vereinbarte Gespräch einseitig mit Blick auf einen möglichen Kaufpreis präjudiziert werden soll.“
...da kann man nur hoffen, dass die Erben von Charlotte Sobernheim am 31. Januar 2011 nicht mit dem Möbelwagen vor dem Leipziger Rathaus stehen!