Jetzt mal ehrlich. Nichts ist für Erwachsene demütigender als die musikalische Anreise zum Familienurlaub. Nicht dass ich Ihnen das jetzt schon versauen möchte, aber wir müssen reden. Seit wann verdrängen Sie denn Ihre musikalische Reisegestaltung mit Donikkl, Detlev Jöcker oder Rolf Zuckowski? Seit der rabattierten Frühbuchung (10 = 7) im Dezember 2014? Und nun bin ich mal einfühlsam und erwähne nur am Rande das voreilig mitgebuchte und ohne Zweifel sehr kleingedruckte Stichwort „Kinderdisko inklusive“ in der Reservierungsbestätigung. Zurück zur Autofahrt, denn im Hotel werden Sie noch genug weinen („Mit nichts seid ihr zufrieden“, „...und du, du stehst daneben und sagst nichts, es sind ja auch deine Kinder“).
Ich greife in solchen Phasen gerne auf Lexotanil zurück und überlege mir Verhaltensmuster für die unausweichlichen wie erniedrigenden Szenen am Rastplatz: Nach gefühlten drei Stunden mit Donikkls „Fliegerlied“ und dem immer wieder lustigen „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, mit dem man immerhin seine pädagogischen Drohungen („In den Ferien wird aber gelernt“) durchsetzen konnte, weil das Tauschen von Vokalen, Diphthongen und Umlauten bereits im Kindergarten/Schullaufbahn entscheidend ist, fahren Sie also wie gerädert bereits nach einer Stunde beim oben genannten Rastplatz ziemlich sicher auf den falschen Parkplatz („It‘s like 10.000 spoons when all you need is a knife“, Alanis Morissette, Ironic). Denn nebenan tobt das Leben.
Ein klappriger Golf IV mit heruntergelassenen Fenstern, je nach Tageszeit auch Hosen der Insassen, und Dosenbier bis zur Heckscheibe. Die Reisenden: zwei nach diesem Urlaub zukünftige Ex-Pärchen. Tätowiert bis zum Kinn. Die Jungs mit Shirts von Motörhead, die Mädels in Tops mit Leitsätzen wie „Angel“, „Bitch“ oder „Girlie“. Aus dem Auto dröhnt Megadeth. Doch bei Ihnen, im Sharan, Galaxy oder Alhambra, hat das Leben andere Helden: „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann in unserm Kreis herum, dideldum...“. Und Sie dachten, das halbherzige Mitnuscheln („Jetzt nicht Kinder, ich muss fahren“) beim Evergreen „Wer will fleißige Handwerker sehen“, was bei einer Fahrt nach Italien auch schon wieder irgendwie lustig ist, wäre bereits das Ende. Dass das alles mit „Schneeflöcken, Weißröckchen“ im sägenden Kindersopran noch schlimmer kommen kann (Was erlauben CD-Zusammensteller?) – geschenkt.
Wenn Sie die restlichen 920 Kilometer mit „Auf der Mauer, auf der Lauer“, „Dornröschen war ein schönes Kind“ oder „Häschen in der Grube“ überlebt haben und „Schlaf Kindchen schlaf“ unerreichbar wie die Einhaltung des Kyoto-Protokolls scheint, hat ein anderer längst schon eingecheckt: Aus dem Kinderland begrüßt Sie DJ Ötzi mit „McDonalds, McDonalds, Kentucky Fried Chicken and the Pizza Hut“. Falten Sie nun einfach mit Ihren Händen ein Dach über dem Kopf und genießen den Ausblick auf den Hotelparkplatz, denn das Zimmer mit Meerblick war trotz Frühbuchung bereits viermal überbucht. Schönen Urlaub!