Dass die Kulturwellen des Rundfunks nicht mehr das sind, was sie einmal waren, wissen wir und spüren es immer wieder neu. Dass aber die so genannten Musiksender (gemeint sind Viva und MTV) mittlerweile zu Gag- und Pseudo-Realitäts-Komposthaufen degenerieren, das ist neu. MTV kündigt seine Sendung „MTV Spin“ und Viva „Fast Forward“ (und damit Charlotte Roche). In Zukunft soll es am besten gar keine Musik mehr geben zwischen 13 und 23 Uhr. Einerseits könnte man sagen: Prima, das war sowieso nur Poprotation vom Langweiligsten und ging ohnehin nur nach Bezahlung.
Andererseits, ja andererseits, wird die Rotation von Musik nur durch die Rotation von fehlendem Herz und Hirn ersetzt. Man wiederholt Big Brother und füllt den Rest mit anderem Trash (das deutsche Wort „Müll“ ist noch zu vornehm) aus. Sind die Schlüpper der Susi wirklich pinkfarben, wer scheißt am schnellsten, wie werde ich ein Star, wo gibt’s die nervigsten Klingeltöne? Wir haben damals ja noch Klingelstreiche gemacht und Zahnpasta unter Türklinken platziert und legen uns heute einfach eine gepflegte Brahms-Sinfonie auf den Plattenteller. Was heute den Jugendlichen per Fernsehen zugemutet wird, das hat eine andere Qualität. Aber haben sie denn die Wahl? Andere suggerieren ihnen doch auch nur, dass ein Bausparvertrag eben gerade nicht uncool ist und dass zugleich weder Rente noch Gehalt noch Gesundheit sicher sind. Wo Perspektiven fehlen, bricht die Panik aus. Panik ist aber kein guter Ratgeber. Die Online-Enzylopädie Wikipedia über Panik: „Panik ist ein akuter, extremer Angstzustand als Reaktion auf eine tatsächliche oder scheinbare Bedrohung, der archaische Notfallprogramme im Gehirn aktiviert. Besonders gefährlich sind Massenpaniken, beispielsweise bei Feuersbrünsten, da die Selbstkontrolle bei vielen Menschen gleichzeitig versagt und somit Schwächere blindlings niedergerannt werden.“ (Und für alle Kulturbeflissenen: der Begriff Panik leitet sich vom griechischen Hirtengott Pan, ja genau der mit der Panflöte, her.)
Noch befinden wir und unsere privaten und öffentlichen Insititutionen uns am Rande des Zentrum dieses medialen und gesellschaftlichen Panikzyklons. Noch ist es fast ruhig, noch.