Was wir letztlich für Musik hören, ist ganz allein unsere eigene Entscheidung. Gut, die ersten Hörerfahrungen haben wir schon durch die Bauchdecke der Mutter gemacht. Was wir aber daraus machen, was zu unserer ganz persönlichen Lieblingsmusik wird, das liegt letztlich daran, was wir selbst hören und akustisch an uns heranlassen lassen. Der heutige Tag der seltsamen Musik will uns dazu anregen, ohne Vorurteile an „neue“, besser: „unbekannte“, Musik heranzugehen und immer wieder neu hinzuhören.
Musikalische Jahrestage (11) – 24. August – Tag der seltsamen Musik
Musik ist ein derart allgegenwärtiges und selbstverständliches Phänomen, dass man sich vielleicht manche interessante Frage nicht stellt. Etwa die Frage danach, warum man ein bestimmtes Musikstück gern immer und immer wieder hört. Auch die Frage, warum einem eine Musik gefällt oder nicht – man stellt einfach das Radio ab und erledigt ist die Sache. Oder: was bewirkt Musik eigentlich im Organismus des Hörers? – Keine Angst: all diese Fragen werden wir heute weder stellen noch beantworten. Dennoch werden wir uns ein wenig in ihrem Umfeld bewegen.
Johann Sebastian Bachs berühmt-berüchtigte „Toccata und Fuge d-Moll“ BWV 565 muß mittlerweile für alles herhalten – von der Einzugsmusik zur Trauung bis hin zur Zahnpastareklame. Ähnliches gilt für Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“, Nikolai Rimski-Korsakows „Hummelflug“, Ludwig van Beethovens Schlusschor aus der IX. Sinfonie oder das Kopfmotiv seiner V. Sinfonie. – Was verbinden wir mit diesen Kompositionen? Sind sie wirklich so „schön“ oder sind wir sie einfach nur gewohnt? Haben wir sie selbst entdeckt oder haben sie sich durch ihre ständige (Medien-)Präsenz uns einfach nur aufgedrängt? Vielleicht wird man „seltsam“ auch durch „ungewohnt“, „ungehört“, „unerhört“ und ähnliche Adjektive umschreiben und ergänzen müssen.
Heute, am 24. August, wird der „International Strange Music Day“, der „Internationale Tag der seltsamen Musik“ begangen. Ähnlich wie am 31. Juli, dem „Tag der ausgefallenen Musikinstrumente“ haben wir es schon rein sprachlich mir einem ziemlich schwammigen Ausdruck zu tun, der uns im Ungewissen belässt: „seltsam“. Was ist das? Die Erklärung wird jedermann und jedefrau selbst finden müssen – was dem einen seltsam und daher unzugänglich erscheint, das ist dem anderen vertraut und von ihm sogar inniglich geliebt.
Die anderen Jahrestage, die am 24. August begangen und auf unserer Paten-Plattform „Kuriose Feiertage“ werden, werden uns wie gewohnt keine weitere Hilfestellung bei dem Erforschen dieses Tages der seltsamen Musik geben: weder der Tag der Waffel in den USA, noch der Tag des Messers in den USA, die Nacht der Nostalgie in Uruguay, der Über-das-Wetter-schimpfen-Tag in den USA oder der Kobe-Bryant-Tag in den USA. Einzig der Dosenöffner, dessen Nationaler Tag heute in den Vereinigten Staaten begangen wird, kann uns ein wenig behilflich sein, wenn wir am Ende dieser Zeilen auf das Öffnen von Musik-Konserven kommen.
Geistiger Vater dieses seit 1998 begangenen seltsamen Jahrestages ist der in Detroit geborene und in New York lebende Musiker und Komponist Patrick Grant (*1963), der sich vor allem als E-Gitarrist einen Namen gemacht hat. Sein musikalisches Schaffen umfasst ein weites Spektrum von Klassik über Pop/Rock bis hin zur Weltmusik. Er kombiniert klassische westliche Musikinstrumente mit Instrumenten der Weltmusik, Synthesizern und anderen elektronischen Musikinstrumenten. Eine besondere Vorliebe scheint er für das Instrumentarium der balinesischen Gamelan-Musik zu haben. Wohl auch hiervon ausgehend ist er ein Meister in der Verwendung alternativer Stimmungssysteme, die sich teils wesentlich von des westlichen Klangvorstellungen unterscheiden.
Leider kann man nur sehr wenige belastbare Fakten über unseren Feiertag herausfinden. So scheinen die US-amerikanischen Summer Schools bei der Konzeption und den Kerngedanken eine wesentliche Rolle gespielt haben. Der 24. August liegt terminlich im Bereich dieser Summer Schools. Grundgedanke Grants und seiner Mitstreiter ist es, jedem Musikfreund mindestens einmal im Jahr – nämlich an diesem Tag – ein neues akustisches Terrain zu erschließen: neue Sounds, ausgefallene Instrumente oder bisher unbekannte Kompositionen.
So steht das Event, das in den letzten Jahren viele neue Liebhaber insbesondere in vielen südamerikanischen Städten gefunden hat, seit seinem Beginn unter dem Motto: „Listening without prejudice“ – Hören ohne Vorurteile. – Zu Recht fragt der Betreiber von „Kuriose Feiertage“, Sven Giese: „Wie lässt sich der Internationale Tag der seltsamen Musik am besten feiern“? Es ist nach seiner Einschätzung also gar nicht so schlimm, dass wir über diesen Tag so wenig wissen, denn wir können ihn feiern (eine Tätigkeit, die man viel öfter machen sollte, als lange Texte über manche Feiertage zu lesen). Und am besten feiern wir ihn, indem wir seltsame Musik hören oder selbst machen. Deshalb möchte der Autor dieser Zeilen Sie, liebe geneigte Leser, heute an einer kleinen (nicht repräsentativen) Musik-Auswahl aus seiner ganz persönlichen Playlist teilhaben lassen, Ihnen einige Musik-Konserven am Tag des Dosenöffners für sie öffnen:
Playlist
- ABBA: „Another Girl“ – Asya Fateyeva (Saxophon) und die Lautten Compagney BERLIN
- Ludwig van Beethoven: „Für Elise“ (Corona-Version – mindestens eine große Terz Abstand halten)
- György Ligeti: „Touches bloquées“ (3. Klavieretüde)
- György Ligeti: „Desordre“ (1. Klavieretüde)
- György Ligeti: „Harmonies“ (2. Orgeletüde)
- Mauricio Kagel: Rossignols Enrhumés (Die erkälteten Nachtigallen)
- PÄ“teris Vasks: Musica serena
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