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Musikalische Jahrestage (10) – 31. Juli – Tag der ausgefallenen Musikinstrumente

Musikalische Jahrestage (10) – 31. Juli – Tag der ausgefallenen Musikinstrumente

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Musikalische Jahrestage (10) – 31. Juli – Tag der ausgefallenen Musikinstrumente

Vorspann / Teaser

Für Wilhelm Busch war klar, dass „Musik störend oft empfunden wird, dieweil sie mit Geräusch verbunden“. Geräusche, Klänge, Töne – sie alle machen Musik aller Stilrichtungen zu dem von so vielen Menschen geliebten und kraftspendenden Phänomen. Erzeugt werden diese von Instrumenten, von Musik-Instrumenten zumeist. Manche dieser Instrumente sind allseits bekannt, manche wurden schon mal gesehen, können aber nicht benannt werden und manche sind irgendwie so ganz anders – auf diese wollen wir heute einen Blick werfen.

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Musik ist ein uraltes archaisches Phänomen aus dem Leben der Menschen, der Menschheit. Die allerersten Menschen mögen es noch nicht als „Musik“ bezeichnet haben, aber sie haben Geräusche und Klänge produziert, mit ihrem eigenen Körper oder einfachen Gegenständen. Wie der Name schon selbst sagt, sind Musikinstrumente „Werkzeuge“: Werkzeuge, um Musik zu produzieren. Die frühesten dieser Musikinstrumente waren wohl noch nicht zweckbestimmt als solche hergestellt, sondern ihre musikalische Fähigkeit wurde durch Zufall entdeckt und erst später bewusst reproduziert und eingesetzt.

Die ältesten uns bekannten Musikinstrumente stammen aus der mittleren Altsteinzeit. Die früheste Knochenflöte mit vier Löchern aus dem Oberschenkelknochen eines jungen Bären ist etwa 50.000 Jahre alt. Sie wurde im slowenischen Divje Babe gefunden. Das älteste in Deutschland gefundene Musikinstrument ist eine Flöte aus Schwanenknochen. Sie hat drei Löcher, ist etwa 36.000 Jahre alt und wurde zusammen mit einer weiteren Flöte aus Schwanenknochen und einer Flöte aus Elfenbein in der Höhle Geissenklösterle bei Blaubeuren gefunden.

Die älteste noch spielbaren Flöte – aus Kranichknochen mit 8 ½ Löchern – wurde in Jiahu in China gefunden und ist ca. 9.000 Jahre alt. Etwa 1.000 Jahre älter ist das erste in der vietnamesischen Provinz Binh Thuan gefundene Lithophon. Das „Dan-Da“ ist eine Art großes Glockenspiel, bei dem die anzuschlagenden „Stäbe“ allerdings nicht aus Metall, sondern aus (Klang-)Stein bestehen. Dieses erste Dan-Da besteht aus acht Klangsteinen, deren größter fast einen Meter lang ist.

Unsere Paten-Plattform „Kuriose Feiertage“ verzeichnet heute den „Tag der ausgefallenen Musikinstrumente“, der bisher (?) ausschließlich in den USA gefeiert wird. Menschen haben sich wohl schon immer mit dem Thema der Klangerzeugung beschäftigt. Daraus ist dann eine schier unüberschaubare Anzahl von Musikinstrumenten entstanden – aus den unterschiedlichsten Materialien, mit den unterschiedlichsten Spielweisen (gestrichen, angeblasen, angeschlagen, elektronisch …) und den wundersamsten Klängen.

Der Begriff „ausgefallen“ ist zwar ein wenig schwammig, was uns – auch weit außerhalb der USA – gerade dazu verleiten soll, ein wenig über Musikinstrumente, ihre Selbstverständlichkeit und ihre Verbreitung nachzudenken. Dabei werden wir schon den nächsten hier am 24. August vorzustellenden Jahrestag, den „Internationalen Tag der seltsamen Musik“, streifen. Die anderen auf „Kuriose Feiertage“ für den heutigen Tag verzeichneten Ehrentage werden uns hierbei allerdings nicht hilfreich sein: der Internationale Ehrentag der Rettungsschwimmer, der Gedenktag der letzten offiziellen Rumration in Großbritannien, Harry Potters Geburtstag [Anm.: wobei Flohpulver natürlich in jedem Zusammenhang hilfreich sein kann], der Tag der Zuckerwatte und der Tag der Avocado (beide in den USA), der Tag des Mischlingshundes (USA) und der nationale Orgasmus-Tag in Großbritannien.

„Vom Üblichen, Gewöhnlichen in stark auffallender Weise abweichend, nicht alltäglich“ – so umschreibt das Wörterbuch den Begriff „ausgefallen“. Wer also noch nie in den Bergen war, für den sind schon die Berge „ausgefallen“, ein Alphorn – für einen Alphornbläser quasi sein täglich Brot – erst recht.

In einem Interview beschriebt die Saxophonistin, Asya Fateyeva, die in diesem Jahr Portraitkünstlerin beim Schleswig-Holstein Musikfestival ist, das Phänomen: „Ich muss für mich zunächst das Rätsel lösen, was die Menschen beim Begriff ‚Saxofon‘ im Kopf hören. Oft beschreiben sie seinen Klang nicht aus dem Moment heraus, sondern bedienen Klischees: rauchig, schrill, balladenartig, laut. Das stimmt jedoch nicht immer. Das Saxofon ist so wandlungsfähig wie die menschliche Stimme. Ich wünschte, man würde ihm von Anfang an mit offenen Ohren begegnen.“

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Keine Metall-Klarinette und auch kein mittelalterlicher Zink, sondern ein Sopran-Saxophon. © Wikimedia Commons, Gnom

Keine Metall-Klarinette und auch kein mittelalterlicher Zink, sondern ein Sopran-Saxophon. © Wikimedia Commons, Gnom

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ausgefallen = unbeachtet

Es geht bei den ausgefallenen Musikinstrumenten aber nicht nur um den Klang. Die Musikinstrumente, die viele Musiker und „Eingeweihte“ fast selbstverständlich kennen und benennen können, damit sind breite Teile der Bevölkerung durchaus nicht vertraut. Fateyeva berichtet, dass sie immer wieder erklären muss, dass ihr Sopransaxophon keine Metall-Klarinette ist, auch kein mittelalterlicher Zink. Gut und notwendig, dass es hier die Aktion „Instrument des Jahres“ der Landesmusikräte gibt, die ausdrücklich auch diese Basisarbeit macht, einzelne Musikinstrumente ein Jahr lang in den Fokus stellt und sie und ihre „Geheimnisse“ einer breiten Öffentlichkeit vermitteln will.

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Ein Nasenflötenspieler in Malaysia, © Wikimedia Commons, Wintermute314

Ein Nasenflötenspieler in Malaysia. © Wikimedia Commons, Wintermute314

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ausgefallen = unbekannt

„Ausgefallen“ sind für uns sicher Instrumente, die in unserem Kulturkreis nicht verbreitet sind oder waren. Die in Südostasien und Ozeanien verbreitete Nasenflöte sei hier als Beispiel genannt. Es gibt sie in unterschiedlichsten Ausprägungen, als Röhrenflöten oder Gefäßflöten, seitlich oder längs angeblasen. Sie haben äußerlich durchaus eine große Ähnlichkeit mit unseren Flöten. Sie unterscheiden sich aber – bedingt durch das Anblasen über die Nase – im Klang, denn der Luftdruck, der durch die Nase hervorgebracht wird, ist schwächer als der durch den Mund erzeugte. Ob es dieser Klang war, der die Nase als Anblasorgan bevorzugte, ist nicht abschließend geklärt. Eine besonders schöne Erklärung könnte die Idee sein, dass die Nase durch das regelmäßige Atmen in einer besonderen Verbindung zur Seele des Menschen steht, der Mund und sein Atem durch Reden und Nahrungsaufnahme zu profan sei.

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Mittelalterlich kostümierter Drehleier-Spieler auf einem niederländischen Fantasy-Fest. © Wikimedia Commons, uploaded from http://flickr.com/photo/40803964@N08/4556164802

Mittelalterlich kostümierter Drehleier-Spieler auf einem niederländischen Fantasy-Fest. © Wikimedia Commons, uploaded from http://flickr.com/photo/40803964@N08/4556164802

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Ausgefallen = vergessen

Manche Instrumente aus vergangenen Zeiten sind im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. So etwa die seit dem Mittelalter bekannte Drehleier. Sie gehört zu den Streichinstrumenten – wird aber nicht von oben mit einem Bogen angestrichen, sondern streicht die Saiten von unten mittels eines Rades, das mit einer Kurbel in Bewegung gesetzt wird, von unten her an. Die Melodiesaiten können durch ein Tasten verkürzt werden. Zusätzlich zu den Melodiesaiten schwingen Bordunsaiten mit. Schnarrsaiten oder ein Schnarrsteg erzeugen schnarrende Geräusche – abhängig von der durch die Kurbel erzeugte Geschwindigkeit. Schon im Mittelalter war das Instrument in der Popularmusik verbreitet, verschwand dann und findet heute wieder in vielen populären Stilrichtungen Verwendung. Wahrscheinlich gibt es heute mehr Drehleierspieler als im Mittelalter.

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PKW, gestapelt auf Hochregalen, die auf ihre „normale“ Verwertung warten. © Wikimedia Commons, Ikar.us

PKW, gestapelt auf Hochregalen, die auf ihre „normale“ Verwertung warten. © Wikimedia Commons, Ikar.us

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ausgefallen = unerwartet

Handwerkliche sauber gefertigte Musikinstrumente sind oft sehr nachhaltig, werden von Generationen von Musikern gespielt und immer an die nächste Generation weitergegeben. Musikinstrumente ganz anderer Art, die auf diese Wiederverwendbarkeit setzen, hat das „Car Music Project“ entwickelt. Sie bauen ihre Klangerzeuger (hauptsächlich) aus Teilen alter Autos und geben diesen damit noch einmal ein ganz neues Leben. Darüber wie lange diese „Schrott-Instrumente“ dann verwendet werden (können), konnten wir leider nichts erfahren.

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Lithophon „Orca I“ von Hannes Feßmann im Schloß Freudenberg in Wiesbaden. © Wikimedia Commons, Msiebel~commonswiki

Lithophon „Orca I“ von Hannes Feßmann im Schloß Freudenberg in Wiesbaden. © Wikimedia Commons, Msiebel~commonswiki

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ausgefallen = andersartig

Glockenspiele, Xylophone, Marimbaphone und wie diese Stabspiele alle heißen mögen, sind bekannt und verbreitet. Ihre Klangstäbe aus Stein zu bauen ungewöhnlich. Die Klänge sind von anderer Art, aber gut hörbar. Mittlerweile sind diese Lithophone (von griechisch „lithos“, der Stein) in vielerlei Formen und vor allem auch chromatisch gestimmt verfügbar. Ihren Ursprung haben sie in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Bildhauerei, wurden zunächst als klingende Objekte (= Klangskulpturen) konzipiert. Der deutsche Bildhauer Elmar Daucher entdeckte quasi zufällig an seinen von tiefen Sägeschnitten geprägten Steinskulpturen deren klangliche Möglichkeiten. Diese entwickelte er im laufe der Zeit dann zielgerichtet weiter, erschuf Installationen mit „gestimmten“ Steinformationen.

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Barbara Buchholz spielt auf einem Theremin von G. Pavlov. © Wikimedia Commons, Peregrinus interstellar

Barbara Buchholz spielt auf einem Theremin von G. Pavlov. © Wikimedia Commons, Peregrinus interstellar

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ausgefallen = außerirdisch

Seit dem 20. Jahrhundert gibt es unterschiedliche Versuche, Klänge auf elektronische Weise zu generieren. Das Trautonium, einer der Vorläufer des Synthesizers, gehört in diese Kategorie. Ebenso die von Olivier Messiaen in einigen Kompositionen verwendeten Ondes Martenot. Ein besonderes Musikinstrument ist das Theremin (auch Ätherwellengeige genannt), ist es doch das einzige Musikinstrument, das seine Töne ohne Berührung durch den Spieler hervorbringt. Durch zwei Elektroden wird das Theremin angesteuert – hierbei steuert die Position der Hände gegenüber diesen beiden Elektroden Tonhöhe und Lautstärke. Die Ausgabe des Tones erfolgt nach Verstärkung über einen Lautsprecher.

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Die Promenade von Zadar in Kroatien mit ihrer unterirdischen Meeresorgel. © Wikimedia Commons, Andrej Šalov

Die Promenade von Zadar in Kroatien mit ihrer unterirdischen Meeresorgel. © Wikimedia Commons, Andrej Šalov

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Durch diese Löcher im Fußboden auf der obersten Stufe der Promenade treten die Töne der Meeresorgel aus. © Wikimedia Commons, Andrej Šalov

Durch diese Löcher im Fußboden auf der obersten Stufe der Promenade treten die Töne der Meeresorgel aus. © Wikimedia Commons, Andrej Šalov

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ausgefallen = ausgefallen

Ein einzigartiges selbstspielendes Musikinstrument ist die Meeresorgel in Zadar in Kroatien. Die im Krieg zerstörte Promenade der Altstadt wurde durch eine einfache Betonmauer ersetzt. Unterhalb des Meeresspiegels befinden sich ein Rohrsystem mit Röhren unterschiedlicher Länge und Durchmesser. Diese Röhren münden unter dem Beton jeweils in Orgelpfeifen verschiedener Tonhöhen. Durch den Wellengang wird Wasser in die Rohre gedrückt. Durch den hierbei entstehenden Druck werden die Orgelpfeifen zum Klingen gebracht. Durch den naturgegeben unterschiedlichen Wellengang können so verschiedene zufällige Melodien erklingen.

Die Weite des Begriffes „ausgefallen“ ist immens groß und sicher für jeden an Musikinstrumenten Interessierten immer wieder von eigenen spannenden Entdeckungen getragen. Die Webseiten über ausgefallene Musikinstrumente nennen noch die Glasharfe, das Cembalo, die Melodica, die Dulzimer, das Didgeridoo, die Pikasso-Gitarre und viele andere. Die Augen ob der Vielfalt an Instrumenten offenzuhalten, lohnt sich ganz bestimmt. Aber auch zu eigenen kreativen Ideen der Klangerzeugung mögen diese Zeilen ein wenig Anregung geben!

Weitere Informationen:

Ein paar Klänge: