Jüngsthin las ich, dass Musik so und so sein müsse, damit sie „gelingen“ könne. Ich spürte, wie sich meine ausgeprägte Sanftmut aus dem Staube machte und stracks eine weitere, tiefe Furche meine ohnehin zu hohe Stirn zierte. Gewisslich, es muss am „muss“ gelegen haben. Da platzte mir der Kragen und mir ward putzwunderlich. Was Musik so alles muss …
Politisch muss sie sein, diskursiv muss sie sein. Sie muss Anlass sein, um beleuchtete Kulturwissenschaftsproseminare als Konzertevent bewerben zu können. Und sie muss etwas entlarven können. Irgendetwas, das vorhin in der Tagesschau auch Thema war. Heiter sollte sie nicht sein. Heiter ist böse und oberflächlich. Wenn, dann muss sie überzeichnet, zynisch, satirisch, trashig oder schrill sein. Und gegenwärtig. Und gesellschaftlich relevant! – Hauptsache, sie „bedeutelt“. Zudem müssen Arbeiten präsentiert werden, um bloß keine Stücke zu schreiben.
ARBEIT! Auch so eine Marotte… Potztausend! Der Kamm ward zum Bersten geschwollen: Ich schreibe Stücke und präsentiere keine Arbeiten. (Möpper, Möpper, ja aber der Werkbegriff…) Pardon, ich schweife ab … „Worum geht es in deiner neuen Arbeit?“ Man stelle sich vor, die Antwort wäre: „In meinem Stück geht es um ein fis. Eigentlich ist es ein Liebeslied.“ Die Raumtemperatur würde sinken, Sauerstoffmasken fielen herunter. Er hat „Liebe“ gesagt! Schlimmer: Er hat „fis“ gesagt!
Ich glaube, Musik muss nichts. Sie kann aber. Sie kommt gelegentlich ohne Topping aus. Ich vertraue ihr, denn sie kann viel mehr, als sie manchmal müssen soll.