Auch Alberto Vilars jüngster Deutschlandbesuch bleibt nicht ohne Folgen. Nein, Beelzebub ist er keineswegs, auch wenn er sich dessen Prinzip zu Eigen gemacht hat, dass der Teufel immer auf den größten Haufen kackt – so lautet nun einmal das Sprichwort. Das zweite Prinzip: Tue Gutes und lass es alle wissen! Beide Grundsätze sind in seinem Credo verankert, das er jetzt bei seinem Besuch in Deutschland auf Einladung der Bundesregierung mit der ihm eigenen pragmatischen Offenheit als „A very personal overview of modern philanthropy“ dargelegt hat.
Auch Alberto Vilars jüngster Deutschlandbesuch bleibt nicht ohne Folgen. Nein, Beelzebub ist er keineswegs, auch wenn er sich dessen Prinzip zu Eigen gemacht hat, dass der Teufel immer auf den größten Haufen kackt – so lautet nun einmal das Sprichwort. Das zweite Prinzip: Tue Gutes und lass es alle wissen! Beide Grundsätze sind in seinem Credo verankert, das er jetzt bei seinem Besuch in Deutschland auf Einladung der Bundesregierung mit der ihm eigenen pragmatischen Offenheit als „A very personal overview of modern philanthropy“ dargelegt hat.Die Rede ist von Alberto Vilar, dem Giganten unter den amerikanischen Finanzunternehmern und Mäzenen gleichermaßen, der tatsächlich aus dem Vollen seines riesigen Vermögens schöpfen kann und dies nach eigenem Ermessen tut, seinen persönlichen Neigungen und Prioritäten folgend. Da hat die Musikwelt Glück, dass sich so jemand zu den „Classical Performing Arts“ und ganz speziell zu Oper und Ballett als den wichtigsten Quellen seines Lebensglückes bekennt.Und da nun einmal die traditionell gewichtigsten Institutionen dieser Kunstgattungen – abgesehen von New York natürlich – auf dem alten Kontinent liegen, engagiert sich Vilar bereits seit einigen Jahren bei Spitzeneinrichtungen quer durch Europa, vom Marijnski-Theater in St. Petersburg bis zum Glynebourne Festival, von Mailands La Scala über die Salzburger Festspiele und den Wiener Musikverein bis nach Bayreuth, wo er nach eigenem Bekunden auf dem Grünen Hügel die jeweils glücklichste Woche des Jahres verbringt. Bei Wolfgang Wagner bedankt er sich dafür, indem er die Neuinszenierung des „Tannhäuser“ im kommenden Sommer finanzieren und das Haus auf dem großen grünen Haufen mit einer Klimaanlage ausstatten wird, was auch sein eigenes Glücksgefühl dort noch steigern dürfte.
Während Bayreuth ohne Vilar weiter bestehen würde, hätte das neue, ebenso riesige wie fehlgeplante Festspielhaus in Baden-Baden sehr bald nach seiner Eröffnung im finanziellen Desaster geendet, wäre nicht der reiche Onkel aus Amerika eingesprungen, der bei der Errichtung einer Träger-Stiftung half, aber auch für regelmäßige Gastspiele des Marijnski-Kirov-Ensembles sorgt und mit diesem gleichermaßen raffinierten und kostspieligen Kunstgriff gleich beide Institutionen vorerst vor dem Verhungern bewahrt.
Mit dem dritten Projekt, dem sich Vilar in Deutschland durch einen siebenstelligen Förderbetrag zugewandt hat, war er bereits in Berlin gelandet: Die vor vier Jahren am Ufer des Großen Wannsee eingerichtete American Academy will in der Kultur- und Wissenschaftsmetropole, der sich die USA seit den Jahren der Teilung in besonderer Weise verbunden fühlen, einen unmittelbaren Zugang zur aktuellen intellektuellen Szene Amerikas herstellen, indem sie namhafte Künstler und Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Disziplinen für ein halbes oder ganzes Jahr über den Atlantik lockt und durch Vorträge, Konzerte, Dokumentationen, Lesungen und Diskussionen ein Forum der Begegnung, der Information aus erster Hand und des intensiven geistigen Austauschs schafft.
Der unerreicht großzügige Mäzen genießt es durchaus, wenn der Glanz bedeutender kultureller Einrichtungen dank seiner Gabe auch auf ihn reflektiert; entsprechende Hinweise an Gebäuden, in Programmheften und Verlautbarungen jeder Art empfindet er nicht nur als legitim, sondern er hofft „jeden Abend“ darauf, gerade dadurch andere, die es sich leisten könnten, für diese Art von Philanthropie zu motivieren. Inzwischen aber hat Vilar auch erkannt, dass es mit der Vergoldung von Spitzeninstitutionen allein nicht getan ist. Franz Xaver Ohnesorg, Intendant der Berliner Philharmoniker, hat den Multimillionär in New York für die Idee begeistern können, Programme zur Gewinnung des Publikums von morgen und übermorgen zu entwickeln, ohne das alle Liebesmüh um Baden-Baden, Bayreuth und Salzburg langfristig vergeblich wäre, ohne das es aber auch um die vielen kleineren Häuser der Performing Arts beiderseits des Atlantiks bald noch weit schlechter stünde.
Ohnesorg ist es tatsächlich gelungen, Alberto Vilars Engagement für den Publikumsnachwuchs gewissermaßen im eigenen Handgepäck in die Berliner Philharmonie zu transferieren. Und der Großmäzen erscheint nun selbst, um zu verkünden, dass das Jugendförderprogramm, ausgestattet mit voraussichtlich 100 Millionen Mark, ohne Frage sein größtes Projekt in Deutschland sein werde. Glücklicherweise wollen beide keine Schnellschüsse noch vor Weihnachten, keine philharmonische „Peter und der Wolf“-Invasion, keinen „Karneval der Tiere“ in Serie; sie wollen sich Zeit nehmen zur sorgfältigen Entwicklung eines Projekts, das dann auch methodisch Modellcharakter haben soll.
Da trifft es sich gut, dass die Hochschule der Musik Hanns Eisler Berlin, kaum einen Kilometer von der Philharmonie entfernt, derzeit unter dem Rektorat von Christhard Gössling steht, der dieses Amt versieht, ohne seine Position als Solo-Posaunist der Berliner Philharmoniker aufzugeben: ein Verbund ist vorgezeichnet.
Wenn es tatsächlich gelingt, neue und vor allem wirkungsvolle Ansätze für die Vermittlung von Musikinteresse bei Kindern und Jugendlichen zu entwickeln – Lust auf Brahms und Strauss, Freude an Bach und Schostakowitsch, Neugier auf Ravel und Lutoslawski, Spaß an Haydn und Strawinsky, Bedürfnis nach Mozart und Bruckner, Verständnis für Schubert und Rihm, Begeisterung für Mahler und Beethoven und Verdi und Berlioz – und wenn es auch noch gelingen sollte, das alles in die Praxis umzusetzen, dann (und vielleicht nur dann) haben unsere Sinfonieorchester und Opernhäuser, und zwar auch die kleinen, eine Zukunft. Dass uns die Möglichkeit dafür durch einen reichen Onkel aus Amerika eröffnet wird, sollte zu denken geben. Da wollen wir ihm auch einen neuen, wohltemperierten „Tannhäuser“ in Bayreuth von Herzen gönnen.