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Sven Ferchow. Selfie

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Panzer statt Posaunen

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Ferchows Fenstersturz 2025/04
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Na endlich! Nach Jahren des unsinnigen Verprassens von Steuergeldern für Bildung und Kultur sowie nach Jahrzehnten des Bettelns um Orchestersubventionen oder geförderten Musikunterricht scheint die künftige Bundesregierung klare Prioritäten zu setzen. Nix gibt’s mehr. Investiert wird nicht in marode Bildungsanstalten oder sterbende Konzerthäuser, sondern in Kriegskultur: Maschinengewehre, Munition und Marderpanzer. Kettenfahrzeuge statt kluge Köpfe. Drohnen statt dröhnende Bässe. Rüstung statt Rasseln.


 

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Lieber Herr Merz, da möchte ich mich als Kulturliquidator, Fachbereich Musik, für einen Posten in der künftigen Regierung gleich mal mit ein paar Vorschlägen in Stellung bringen, um im Verteidigungsjargon zu bleiben. Statt Musikunterricht könnte es ab 2026 Geräuschkunde geben. Da lernen unsere Kinder, den feinen Unterschied zwischen Mörser- und Artilleriebeschuss zu hören. An der Front nicht ganz unwichtig, glaubt man einigen Herren aus CSU, CDU und SPD. Hätte zudem den nachhaltigen Vorteil, dass unsere Kinder später weltweit eingesetzt werden könnten. Gebombt wird überall. Musiziert nicht. Unter der Agenda „Bomben statt Beethoven“ empfehle ich, bröckelnde Opernhäuser abzuwracken und dafür Uraufführungen der neuesten Panzerabwehrsysteme, Software-gesteuerter Boden-Luft-Raketen sowie schnittiger Wehrübungen anzubieten. Schließlich ist ein lauter Kanonenschlag mit ordentlichem Einschlagloch imposanter als eine Beet­hoven-Symphonie. 

Dann die Kultur- samt Popmusikförderung. Einsparbar, folgt man meinem Modell, alle Theater, Konzerthallen und Kleinkunstbühnen ab sofort zu öffentlichen Schießständen umzufunktionieren. Dort sollen bereits die Kleinsten üben, damit sie nicht unvorbereitet in den Wehrdienst stolpern. Auch subventionierte Musikfeste sind zu streichen. Stattdessen dürfen verdiente Volksvertreter an den zahlreich zu erwartenden Flugzeugträger-Taufen teilnehmen. Für Philharmonien empfehle ich einen Umbau zu Begegnungsstätten der Verteidigungsbereitschaft, in denen man behaglich über Rüstungsberichte oder Panzerfaustkaliber plaudern kann. Denn mit Sonaten gewinnt man sicher keinen Krieg. Netter Nebeneffekt der Umstrukturierungen: Musikalische Vielfalt wird abgeschafft. Wagner, Grönemeyer, Bushido? Unnötig. Marschmusik reicht, passt auch besser zu den Marschflugkörpern. Für Bestandsobjekte wie Musikschulen schlage ich letztlich eine Umwidmung vor, zum Beispiel in Waffenlager. Denn: Butter bei die Fische. So manches Musikinstrument war in den Händen vieler Musikschüler doch sowieso eine grausame Waffe. Da macht der Slogan „Gewehre statt Geigen“ durchaus Sinn. Nebenbei. Um das gesamte kulturelle Streichkonzert zu legitimieren, hilft übrigens jede desaströse PISA-Studie, lieber Herr Merz.

Denn gut ausgebildete Kinder könnten eines Tages unangenehme Fragen stellen: warum etwa Milliarden für Raketen da sind, aber nicht für ihre Zukunft. Egal. Ich bin Team Merz, denn auch eine Kalaschnikow kann wunderbar orgeln.

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