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Phänomen „Grand Prix“

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Von wegen „Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne“. Vergessen Sie diesen blumigen, glitschigen, parfümierten Titel. Das war der dritte Weltkrieg. Ein Komplott. Ich fühlte mich bedroht. Was erlaubt sich diese neue Balkanliga überhaupt? Und erst der wieder auferstandene Ostblock? Bereits nach der Hälfte der abgegebenen Bewertungen hatte ich meine Reservisten-Ausrüstung aus dem Keller geholt, angelegt und auf Schäubles Mobilmachung gewartet, denn Franz Josef Jung sucht ja gerade verzweifelt den Weg nach Heiligendamm. Wahlweise seinen Auftrag. Und währenddessen werden die etablierten Schlagermächte an allen Fronten vom Frischfleisch der demokratischen Jungstaaten düpiert und in die künstlerischen Knie gezwungen. Verdammt, die Popbrühe des Grand Prix als Notration aus den vom Klima geschädigten, schock gefrorenen finnischen Seen zu kratzen. Selbst die butterweichen Gothic-Rocker um Sängerin Hanna Pakarinen aus Finnland, die Saftschubsen-Kapelle „Scooch“ aus dem Pop-Mutterland England oder Deutschland Jazz-Langstreckenrakete, Roger Cicero, konnten die Errichtung des alteuropäischen Feldlazaretts nicht verhindern. Aber mal patriotisch kritisiert: Dem leicht bieder-ironischen Humor des deutschen Titels in seiner bourgeoisen Lässigkeit fehlte es trotz geschickter Tarnung an vehementer Durchschlagskraft.

Geschickter taktierte da die Ostallianz, diese „Achse des Popterrors“. Die chirurgische Kriegsführung „Operation Tränendrüse“ funktionierte. Weil mit intelligenten Waffen geführt und trotzdem Kollateralschäden auslösend.

Und nur, weil eine Serbin über ihre von Landsleuten zerstörte Heimat singt, heult der Balkan samt östlicher Anrainer über das ehemalige Brachland mit und spendet die Punkte via Kurztext-Granaten. Die sollen doch bitte mal nach Westdeutschland kommen. Nach Iserlohn, Hof oder Offenbach. Dann würden die vielleicht ganz anders punkten. Dann müssten die mal für uns spenden. Da fragt man sich doch, warum unsere Tornados in Afghanistan herum trödeln? Die brauchen wir hier, lieber Schäuble. Als SMS-Abfangjäger.

Ein George W. Bush würde das nie zulassen. Man stelle sich nur vor, süd- oder mittelamerikanische Staaten würden den USA pop-territorial das zufügen, was die osteuropäischen Emporkömmlinge uns angetan haben. Binnen Stundenfrist würden sich sämtliche Flugzeugträger Richtung Panamakanal und Atlantik bewegen. Durch die konservative Country-Szene der USA würde ein Aufschrei ertönen. Garth Brooks würde zum „United We Stand“- Konzert aufrufen und Charlton Heston würde, seine Waffensammlung schwingend, brüskiert ein weiteres Mal „From My Cold, Dead Hands“ röcheln.

Wir müssen uns wehren. Ich fordere Papst Benedikt auf den „Grand Prix-Kreuzzug“ zu proklamieren. Motivation: Erlass sämtlicher nationaler Popsünden. Statt des Kreuzes könnten sich die Kreuzfahrer ein Dieter Bohlen-Portrait ans Revers heften. Und von Heiligendamm aus könnte das Unternehmen starten. Da wären sowieso alle vereint: Adelige, Klerus, Bürgertum und Abtrünnige. Es muss etwas passieren. Wenn nicht jetzt, wann dann? Tja, dann könnte es bald heißen: Who’s next?

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