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Mathis Ubben. Foto: Nerea Lakuntza

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Prunk & Punk

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Cluster 2025/03 von Mathis Ubben
Vorspann / Teaser

Ende Februar ist Pussy Riot vor dem Brandenburger Tor aufgetreten. Der Protestpunk richtet sich gegen Putins Russland und sammelt an diesem Abend Spendengelder für humanitäre Hilfsgüter für die Ukraine. Am gleichen Wochenende gab’s auch die Fastnacht in Franken – da ist die Kritik gezügelter und die Verspotteten sitzen teils mit im Saal. Zwar war der Traditionsklamauk in Veitshöchheim nicht ansatzweise so politisch und aufrührerisch wie das Konzert der Protestband, eine Sache verbindet sie aber dennoch augenscheinlich: das Maskieren.

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Bei den Punkrockerinnen sind die gestrickten Sturmhauben Teil des Protests und könnten – wenn die Aktivistinnen es denn darauf angelegt hätten – die Verfolgung durch das russische Regime erschweren. Bei der Prunksitzung hilft das Kostüm eher dabei, ungehemmter den eigenen Geist durch den aus dem Glas zu ersetzen und mögliche Provokationen besser abtun zu können. Mit der Faschingsschminke im Gesicht ist das alles ja nicht so ernst zu nehmen. Erst wenn die Maske runter ist, erntet große Meinungsstärke unter Umständen eine Breitseite Konsequenzhärte.

Für den Großteil der Kulturveranstaltungen heißt das aber nicht, dass somit die knisternde Flamme des hitzigen Meinungsaustauschs lodert – stattdessen wird die Maske hier gegen ihren mutlosen Zwilling ausgetauscht: die Haltung. Zwar beweist man Haltung ja eigentlich, indem man Rückgrat zeigt, anscheinend gilt als das beste Mittel, um die Haltung zu wahren, aber ironischerweise die Zurückhaltung.

Und möglichst unsichtbar mit dieser Zurückhaltung maskiert, geht dann das meiste über die Bühne. Wie in Menschengruppen, in denen nie gestritten wird und Auseinandersetzungen hinter der Fassade schwelen, wächst dem Druck entsprechend auch die Angst vor der Explosion, kommt die (mögliche) Uneinigkeit einmal ans Tageslicht. Das Streiten und Versöhnen zu lernen, hat keine Chance. Stattdessen grassiert die Angst, geächtet – oder heute: „gecancelt“ – zu werden. Gerade in der Kulturbranche dreht sich diese Angst dabei nicht nur um die soziale, sondern auch um die berufliche Existenz.

Die Sängerinnen von Pussy Riot sind quasi auf der Flucht, das Benefizkonzert vor dem Brandenburger Tor findet für sie gleichzeitig im Exil statt. Sie sind also Exilantinnen, die vor der Unterdrückung ihrer Meinungs- und Kunstfreiheit geflohen sind. Und hier ist das Exilland, in dem der eigene Drang nach freien Meinungen oft künstlich selbst unterdrückt wird.

Hauptsache der innere Punk schadet nicht dem kulturellen Prunk. Denn darin lebt es sich im Zweifel auch ohne freie Meinungen. Oder Elvis Söder?

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