Ich hoffe schwer, dass Sie Ihren letzten Sherry beim letzten Kapitänsdinner auf Ihrer letzten Kreuzfahrt genossen haben. Denn Sie sind tot. Vorausgesetzt, Sie sind über 43. Also Jahre. Nicht Millionen. Und in Bayern lebend. Daher folgende abzuarbeitende Liste. Bestatter anrufen. Sarg aussuchen. Klamotten abgeben (Motörhead-Shirt wahlweise Nerz).
Kassette oder Schallplatte mit Lieblingssong hinterlegen (sterben Sie ruhig analog). Gästeliste per Whats- App versenden (der Umwelt zu Liebe dann doch digital). Nachruf verfassen. Schuld an Ihrem Tod? Der Bayerische Rundfunk mit Bayern-3-Programmchef Thomas Linke-Weiser. Der sagt nämlich, laut SZ, dass „man manchmal im Sinne einer neuen Ausrichtung für das Gesamtprogramm schmerzliche Entscheidungen treffen müsse, dass sich das musikalische Umfeld Richtung Dance, Pop und Modern Rock verändert habe und dass man außerdem etwas jüngere Hörer erreichen wolle, bislang wäre der Altersschnitt bei knapp 43 Jahren“. Vermutlich glaubt er das selbst. Aber gut so, Herr Linke-Weiser. Weg mit den Grabverweigerern. Zielgruppe ausrotten. Hörer verscharren. Rockmusik tot. Jede Hörererhebung braucht Legitimation. Bedeutet: Die „Nightlife“-Reihe von 22 bis 24 Uhr mit Sendungen wie „Classic Rock“ oder „Rockperlen“ wurde gestrichen. Ehrlicherweise ist mir das egal. Aber die schwammige Aussage eines vom Volk bezahlten Programmchefs BRINGT MICH DOCH ETWAS AUF DIE PALME!
Lieber Thomas Linke-Weiser, wir sprechen schon vom gleichen hippen Sender, der immer dann, wenn ich ihn in seiner Schlichtheit ertragen muss (Frisör, Nagelstudio, Massagepraxis), die gleichen Songs spielt wie vor 30 Jahren (John Farnham, Starship, Toto)? Der „die Stars nach Bayern holt“ (Grönemeyer, AC/DC, Take That) und mit der „futuresken“ Künstlerauswahl ein junges, finanzkräftiges Publikum anspricht und nicht die Grabsteinliga, die Musik legal kauft und damit die Berechtigung von Radiosendern sichert? Der Hörern die ganze Bandbreite der Popmusik vorenthält und sie durch eine eingeschränkte – vielleicht auch hin und wieder ein klein wenig subventionierte – Rotation bevormundet? Weil sich sonst Werbekunden mit dem Kulturauftrag in die Quere kommen oder der Hörer einfach ein Depp ist, der eine Vorauswahl braucht, um gerade noch oder jederzeit „Eh Macarena“ grölen zu können.
Lieber Herr Linke-Weiser, Ihre U25-Hörer wissen doch gar nicht mehr, dass Radio mal ein Gerät zum Anfassen war. Die glauben: Radio kommt aus App, oder? Und zwischen 22 und 24 Uhr haben die andere Termine: Stichwort Brandschatzung bayerischer Innenstädte. Und selbst wenn es 500 junge Hörer mehr gibt (und die wird es geben müssen, siehe Hörererhebung), was ist dann? Und wenn der demografische Wandel prophezeit, dass es bald nicht mehr so viele junge Hörer geben können wird, was ist dann, Bayern 3? Dann heißt es wohl „heavy rotation“ mit Bruce Springsteen: „This is Radio Nowhere ... is there anybody alive out there“?