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Dicht gestellte Mahagoni-Stuhl-Reihen mit 60er-70er-moosgrünen Polstern.

Dicht gedrängt und eingelagert: die Stuhlreihen im Schubert-Saal des Wiener Konzerthauses.

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Reihe 9 (#40) – Lockdown

Vorspann / Teaser

Zunächst waren es einzelne Nachrichten aus der Ferne, dann rückte alles näher und näher. Und inzwischen sind wir uns in den eigenen vier Wänden ganz nah. So ist die Corona-Krise nicht nur dazu geeignet, über die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme, sondern auch über die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft selbst nachzudenken.

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Denn für die meisten ist es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich damit auseinandersetzen müssen, dass das Wohl vieler mehr wiegt als das Wohl des Einzelnen. In einer Zeit, in der es (gefühlt wie real) um andauernden Konsum und Selbstverwirklichung geht, mag sich das für manche anfühlen wie die Höchststrafe. Daher schenken uns die Beschränkungen, daneben dass sie pandemisch und aus Rücksicht gegenüber anderen notwendig sind, vor allem eins: Besinnung. Da wird vielfach aufgeräumt, ausgemistet und abgearbeitet: Dinge, die viel zu lange liegen geblieben waren, die das eigene Leben beschwerten. Und dann wäre da noch die generelle Entschleunigung – mit der kleinen Hoffnung, dass auch für „danach“ sich etwas bleibend verändert. Denn nun wird klar, dass wir „auf Pump“ gelebt haben, im Umgang mit uns selbst, den Mitmenschen und der Natur.

Für viele Berufstätige stellen sich Fragen des Überlebens, insbesondere für freie Kulturschaffende, die eh schon immer am Limit der wirtschaftlichen Existenz waren. Denn das große Geld haben auch in diesem Bereich der Gesellschaft nur wenige verdient. Ohne feste Anstellung, ohne dauerhaftes Engagement geht es ums Ganze. Absagen aus „höherer Gewalt“ führen zum hundertprozentigen Verdienstausfall. Es mag eine Hoffnung, ein Strohhalm sein, dass nach Krisen oft Kultur und Musik neu aufblühen. So vielleicht auch schon in wenigen Wochen. Bis dahin wird nicht nur einzeln geübt, sondern man übt sich auch darin, das Internet und die Medien für sich nutzbar zu machen – man könnte auch sagen: dem Publikum und Auditorium zu zeigen, dass Kreativität weiterhin möglich ist.

Niemand weiß, wann und wie es weitergehen wird. Ich kann von mir selbst aber ganz sicher behaupten: So umfangreich auch die eigene CD-Sammlung ist, so viel neue Entdeckungen man beim Streamen von Musik machen kann – der nächste Besuch eines Konzerts oder einer Opernvorstellung wird etwas ganz Besonderes sein.

Ihr

Michael Kube

REIHE 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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