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Steinerne Stufen des Großen Theaters in Pompeji.

Ohne Schild aber mit glänzender Akustik: Reihe 9 im Grossen Theater, Pompeji.

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Reihe 9 (#67) – Ope(r)n Air

Vorspann / Teaser

Kürzlich war ich wieder in der Oper. Auf dem Spielplan stand Albert Lortzings biederer Wildschütz. Das ist derzeit die unverfängliche Alternative zum allzu freundlichen Zar und Zimmermann. Ja, wer hätte gedacht, dass es einmal um diese leichtfüßige Unterhaltung von 1837 so schwergängig werden würde. Wie wohl in den nächsten Jahren die Handlung dieser komischen Oper auf der Bühne reflektiert wird?

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Demgegenüber ist der Wildschütz unproblematisch, denn hier schiesst kein wilder Reiter einen Bock, sondern der Dorfschullehrer seinen eigenen Esel. Bis man endlich dahin kommt, vergehen zweieinhalb bisweilen lange Stunden. So auch in der Dresdner Semperoper. Am Ensemble lag es nicht, wohl aber an der Inszenierung, die im ersten Akt die Charaktere zu redlich und grau gestaltete – ich dachte mir das Gretchen eher als freche Punkgöre, die dann auch wirklich einmal die Gesellschaft und ihren Verlobten, den weitaus älteren Lehrer Baculus, aufgemischt hätte. Fade blieb der zweite Aufzug im ungeplüschten Salon, während der dritte Akt in ein sattes Varieté-Bild mündete.

Der anhaltende Applaus des Auditoriums blieb ein wenig schütter – wie die Belegung der Sitzreihen. Denn an diesem Abend war es wie an vielen anderen Orten derzeit auch: bedeutend leer. Ob es den Abwesenden nun aber zu warm war oder ob sie zu ängstlich sind: So wird, nein: darf es nach der Sommerpause in der Oper wie im Konzertsaal nicht weitergehen. Wenn sich doch nur das Publikum an der Abendkasse einmal wieder so drängeln würde, wie derzeit auf den bundesdeutschen Bahnsteigen …

Vielleicht erfüllen sich die Hoffnungen ja im Sommer, in dem traditionell so manches Sinfonieorchester und Ensemble buchstäblich vor die Tür geht und sich „open air“ präsentiert. Einzelevents und Opernproduktionen unter freiem Himmel gibt es jedenfalls wieder reichlich. Und man wünscht allen Veranstaltern dort wirklich voll besetzte Reihen. Ob sich im alten Pompeji, im Grossen Theater, wo alles unter freiem Himmel gegeben wurde, die Menschen wohl auf den Stufen dicht gedrängt haben? Ohne Markierungen hatte man offenbar immer freie Platzwahl – angesichts der überall noch immer glänzenden Akustik wäre auch alles andere unverständlich.

Ihr

Michael Kube

REIHE 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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