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Schwapp!

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Dauerhafte Veränderungen geschehen nicht durch lautstarke Auseinandersetzungen auf der Medienbühne, sondern in kleinen, unmerklichen Schritten. Heute eine unbeachtete Richtlinie aus Brüssel, morgen ein Gesetzchen aus Berlin, hier eine Moschee, dort ein Gemeindezentrum ... Und in zehn Jahren leben wir in einer zwar nicht schönen neuen, aber doch einer anderen Welt.

So geht es auch mit dem Internet. Gerade haben wir uns an die Unabänderlichkeit seiner Existenz gewöhnt, jeder Weltschmerzpoet spricht heute sein Weh-weh-weh anders aus und jede Karrierefrau weiß, wo sich das Ät auf der Tastatur befindet. Doch die kleinen Gratisprogramme werden immer praktischer, die Leitungen immer schneller und die Preise immer geiler. Und dann wachen wir eines Tages auf und befinden uns im Web 2.0 mit dem grenzenlosen Schwall an überflüssigem Gequatsche, der über den Computer in unsere vier Wände hereinschwappt.

Auch an der Musikfront beginnt es vernehmlich zu schwappen. Die Zahl der Downloads – legal und illegal – steigt unaufhörlich, und zur Freude der Konsumfuzzis, die sich „ihre“ Songs per Breitband heranschaufeln, wird dadurch auch das Copyright stets ein klein bisschen mehr flexibilisiert. Eine Kontrolle über die legale Nutzung wird für die Rechteinhaber immer illusorischer. Sie setzen deshalb auf Pauschallösungen und statistische Verfahren. Apples iTunes hat mit seiner 99-US-Cent-Einheitsgebühr einen weltweiten Standard für Mengenpreise gesetzt. Das vereinfacht das Geschäft, hat aber zugleich fatale Konsequenzen für Autoren und Produzenten: Während Apple-Chef Steve Jobs mit seiner schlauen Idee kurzfristig Milliarden verdient, wird der Inhalt, das Gut Musik, langfristig immer mehr entwertet. Das Markenprodukt wird auf Dauer zum inflationären Allerweltsprodukt, die Songs müllen die MP3-Player und Festplatten wie Virenwürmer zu. Geworben wird mit „Speicherplatz bis zu 20.000 Songs auf Ihrem iPod“. Doch wer kann das alles noch hören?

Was die CD-Industrie in den 80er- und 90er-Jahren mit ihrer Strategie des „more of the same“ bewirkte, die Überschwemmung des Markts und eine anschließende Absatzkrise, scheint sich zur Zeit im Internet, dem Reich der unendlichen Möglichkeiten, in potenzierter Form anzubahnen. Am Ende dieses Hypes könnte die weitgehende Entwertung der digital vertriebenen und gespeicherten Musik stehen. Die Krise, die bisher nur als CD-Krise gesehen wurde, würde dann zur totalen Musikkrise.

Die Hoffnung, dass der anhaltende Rückgang der CD-Verkäufe durch kostenpflichtige Downloads im Internet wettgemacht werden könnte, erweist sich schon heute als trügerisch. Laut dem britischen Branchenmagazin „Prospect“ geht die kostenpflichtige mediale Nutzung von Popmusik insgesamt zurück.

Die relativ preiswerten Downloads sollten ein Massenpublikum anlocken, doch letztlich bringen sie viel weniger ein als eine CD. Ende der 90er-Jahre, so das Magazin, brachte eine für vier Pfund verkaufte Single-CD für die Plattenfirma ein Pfund und für die Musiker 50 Pence. Im Internet gibt es heute für denselben „Content“ noch 30 beziehungsweise 10 Pence. Für die Musiker ein Rückgang um achtzig Prozent, mit anderen Worten: Er muss fünfmal mehr verkaufen, um sein Einkommen zu halten.

Deshalb gibt es bereits Bands, die ihre Musik im Internet gratis anbieten. Damit wollen sie die Fans für Live-Konzerte und zum Kauf von Merchandising-Produkten mobilisieren. Das T-Shirt made in China mit Band-Motiven zum Preis von 20 Pfund bringt mehr ein als die in Europa fabrizierte CD für 10 Pfund. Im Vorfeld seiner Londoner Konzerte von Ende August ließ Prince verlauten, dass er jedem Besucher ein Exemplar seiner neuesten CD „Planet Earth“ schenken werde. Der Tonträger als Gratis-Zugabe zum Live-Event. Preis der CD: Null Euro. Preis der Plätze in der Londoner O2-Arena: 85 bis 550 Euro. Das ist Salzburger Netrebko-Tarif. Die Plattenfirma soll die Prince-CD in England frustriert aus dem Verkauf gezogen haben.

Während die Tonträger verschleudert werden und die Musik im Internet zu Dumpingpreisen gehandelt wird, nimmt das Veranstaltergewerbe einen gewaltigen Aufschwung. Das Publikum ist wild auf Live-Events, die Ticketpreise schießen in die Höhe. Natürlich wird auch in diesem neuen Geschäftsfeld aufs Unverschämteste abgezockt. Aber vielleicht hat der Trend etwas Gutes: Musik will wieder mehr als social event und nicht nur als technoide Geräuschtapete erlebt werden. Und vielleicht drehen die Hörer eines Tages dann auch den Dudelwellen den Knopf ab.

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