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Musik als kommunikative, kooperative Vernetzung. Foto: Martin Hufner

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Sprich auch du

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Drangeblieben 2024/10
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Stille kann beglückend sein. Im Leben, in der Musik vor allem. Im Fall der erzwungenen Stille ist das anders. Lehrbeispiel 7. Oktober. Bedrückend, geradezu beschämend, mitangesehen haben zu müssen, wie sich vor Jahresfrist die intellektuellen Milieus weltweit in geflissentlichem Wegschauen, Stillschweigen, Stillhalten übten, ja, in klammheimlicher bis offen gezeigter Zustimmung. Standard­mäßig, Judith Butler hat es wie immer vorgemacht, wird stets so lang kontextualisiert, bis die Juden selber schuld sind am Antisemitismus. Das ist das Muster. Alle haben sie gelernt, die verstimmte Orgel der Täter-Opfer-Umkehr zu traktieren, ohne zu bemerken, dass ihr Material abgestanden, verbraucht, kontaminiert ist. „Immer noch“, so Johannes Beeke von der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg, „werden post­koloniale Dogmen aus den Achtziger- und Neunzigerjahren als neu und innovativ bestaunt“. (FAZ, 2.9.24) Kolonialis­musvorwürfe gegen das „zionistische Projekt“, die „im Kern“ zurückgingen auf PLO-Propagandaschriften der Sechzigerjahre. Wofür man besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt. 

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Und in den Musikszenen – wie war es da? Ausnahmen wie Igor Levit, wie eine Antilopen Gang, mal beiseitegelassen, las man in seiner Stimme, ziemlich übereinstimmend, Generalpause! Und überhaupt: „Warum sollte speziell die Musikszene und wie dazu Stellung nehmen?!“ Die Frage hat mir ein befreundeter Kollege gestellt. Gern soll sie hier, nach bestem Wissen, Gewissen, beantwortet werden. Zunächst, um klein anzufangen, nachfolgende Erinnerung zum Tather­gang. Als die Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres, dem Tag des jüdischen Laubhütten­festes, das größte Massaker an Juden nach der Shoah anrichtete, gingen die Gotteskrieger zunächst gegen ein nahegelegenes Musikfestival vor. 4.000 Raver, überwiegend Israelis, hatten sich in der Negev-Wüste versammelt, um im Namen von „human values“, von „free love and spirit“ etwas Besonderes zu feiern: die „erste israelische Ausgabe des vor 20 Jahren in Brasilien gegründeten Universo Parallelo, des größten alternativen Kulturfestivals Süd­amerikas“. (Wikipedia) Die Bilanz des Schreckens: 350 Tote, etwa 40 genommene Geiseln allein dort. Israelischen Angaben zufolge wurden beim Angriff auf israelischer Seite insgesamt 1.139 Menschen ermordet oder im Kampf getötet und 250 Geiseln nach Gaza verschleppt. 

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Journalistisch war damit der Aufhänger gesetzt. Das Echo in den hiesigen Musikszenen praktisch gleich Null. Eine Ausnahme war der Artikel „Das hat mein Heimatgefühl hierzulande tief verletzt“ des israelisch-deutschen Komponisten Eres Holz über Terror, Trauma, Teilnahmslosigkeit (nmz 12/23-1/24). Solidarität seitens der benachbarten freien Szenen, Jazz, zeitgenössische Musik? – Fehlanzeige. Für die hiesigen Raver rang sich „Ravetheplanet“ noch eine korrekt gegenderte Fassungslosigkeit ab. „Die Verwerflichkeit des Handelns der Täter*innen – und ihrer Sympathi­sant*innen – können wir nicht mehr in Worte fassen!“ Das war’s dann aber auch. Heute, nach einem Jahr, ist man, wie alle anderen, wieder auf Betriebstemperatur. Szene­aktivisten, Komponisten „untersuchen“ wieder „öffentlich unterirdische Räume „, sondieren die „kollabo­rative Arbeit im Kontext von Musiktheater“, vor allem aber sprechen sie wieder über das, worüber sie am liebsten sprechen: über sich. Alles soweit in Ordnung also. Und wenn dann doch einmal vom Verdrängten die Rede ist, dann von dem der anderen. „Gesellschaftlich Verdrängtes und kollektive Ängste in aktuellen Opern“ heißt ein angekündig­ter Oktober-„Artist-Talk“ zu „Horror-Opern“. Was Sinn macht. So lange der Schrecken auf der Bühne bleibt, kommen wir klar.

Bliebe Teil zwei der Frage: „Wie dazu Stellung nehmen?“ – in jedem Fall doch künstlerisch. Wie, das bleibt dem Künstler überlassen, was freilich voraussetzt, dass er sich von Celans „Sprich auch du“ adressiert fühlt. Womit wir passenderweise den Namen eines Komponisten ins Spiel bringen können, zu dem wir, anlässlich seines 150. Geburtstages, gerade so bewundernd aufblicken. Einem Arnold Schönberg hat ja nämlich auch niemand gesagt, dass und wie er einen „Survivor from Warsaw“ schreiben soll. Hat er einfach gemacht. Und so, ganz nebenbei, seine wie die Gegen­wärtigkeit seiner Kunst unter Beweis gestellt. Allemal die beste Wahl, der Selbstverzwer­gung zu entgehen. 

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