Hauptbild
Laut-Sprecher: Michel Friedman. Foto:ddp
Laut-Sprecher: Michel Friedman. Foto:ddp
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Unangeschnallt: Friedman trifft Sido - zwei echte Pop-Charaktere

Publikationsdatum
Body

N24 ist ein außergewöhnlicher Sender. Nicht nur abgewetzte Alt- beziehungsweise Sonder-Korrespondenten wie Dieter Kronzucker dürfen dort ihre Blüm-Rente aufbessern. Selbst der Ex-Schnupfer und Russen-Spediteur Michel Friedman hat beim Infotainment-Kanal ein behagliches Plätzchen gefunden.

Moderiert er nicht gerade seine wöchentliche Talkshow, begegnet er ausgewählten Gästen. Im September beispielsweise Rapper Sido. Der eine also mit noch nicht geläuterter Rotlicht-Vergangenheit, weil er aus Versehen im falschen Hotel abstieg, den falschen Aufzugknopf drückte, im falschen Stockwerk ausstieg, anschließend die falsche Tür öffnete und prompt in eine Party mit gar nicht so falschem Kokain und osteuropäischen Frauen schlitterte, die überhaupt nicht aussahen wie Bärbel Schäfer. Der andere, Sido, hält Gewalt immerhin nur für das zweitprobateste Mittel, um Konflikte zu lösen. Sie wissen schon: Der Maskenmann. Der Rapper mit Plauze und Berliner Schnauze. Dessen amerikanisches Pendant 50 Cent ihm mal eine Radkappe über den Kopf ziehen sollte, um ihm zu verdeutlichen, wie der echte Rapper in den Tag startet.

Exzellente Voraussetzungen für ein polarisierendes Treffen. Dachte N24. Doch wie kann ein Ex-Kokainkonsument, umgeben von der Aura williger, russischer Mädchen, einem Rapper, der seine Karriere auf einem antiquierten Frauenbild, Drogenkonsum und Gewaltbejahung gründet, auch nur ansatzweise kritische Fragen stellen? Geht eben nicht. Es wird ein butterweiches Berliner Treffen. Dazu passen die Rahmenbedingungen: Beide fahren in einem aufgemotzten Schlampen-Schlepper, in dessen Fond Michel früher vielleicht Svetlana oder Tatjana abfüllte, und unterhalten sich unaufgeregt. Nach fünf Minuten Wattebällchen zuwerfen duzt man sich. Sido heißt also Paul.

Spannend. Nach weiteren Minuten legt man eine Rast ein. Zufällig vor einer Graffiti-Wand, die völlig überraschend und legal von Sido-Fans im Alter von 16 Jahren bearbeitet wird. Die Wand hat sicher „Wowi“ installiert. Gut so. Sido stellt fest: Die Kids kommen aus seiner „hood“, seinem Stadtteil, in dem er die Nachbarn jahrelang mit schlechten Reimen und Dosenbiertrinken terrorisierte. Es folgt belangloses Gequatsche in rudimentärer Phonetik, abschließend ein Gruppenfoto.

Plötzlich wird Michel mutig. Er versucht sich als Rapper und schleudert Paul Verse um die Ohren, die Paul als fiesen Rabenvater abstempeln. Es ist peinlich und schnell knickt Michel wieder ein. Dann sind 25 Minuten um. Erfahren haben wir nichts. Statt klarer Bekenntnisse gegen Drogen oder für Gewaltverzicht endet der Talk im Nichts. Aber mit der Erkenntnis: Anschnallen müssen sich Promis auf keinen Fall. Tolle Vorbilder. Das Positive: Viele Kids konnten das Interview höchstwahrscheinlich nicht sehen, weil der Sendetermin mit ihren nächtlichen Aktivitäten kollidierte. Als Michel Paul traf, waren sie gerade mit dem Abfackeln von Autos oder Drogenbeschaffungsmaßnamen am Bahnhof Zoo beschäftigt.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!