Der französische Philosoph Michel Serres hat einmal gesagt, dass mit jeder Veränderung der Lebenswelt, eine Entlastung stattfinde, die Raum für Neues schaffe: „Als die Hände uns nicht mehr zu tragen brauchten, begannen sie zu greifen; als unser Mund nicht mehr zupacken musste, begann er zu lachen und zu sprechen.“ Der Buchdruck habe das Gedächtnis entlastet. Bei der gegenwärtigen Medienrevolution durch Computer und weltweite Netzwerke, darf man sich fragen, welche Entlastung das wohl mit sich bringe und welche neue Freiheit und Möglichkeit sich eröffne.
Mehr freie Zeit etwa? Das wohl nicht, wo man mit dem Smartphone immer online und greifbar ist. Auch die Büros sind nicht papierlos geworden, wie einmal vorhergesagt. Nicht nur das Wissen der Welt ist ja nur noch einen Daumendruck entfernt, sondern man selbst ist nur noch einen Daumendruck entfernt für jene, die einen benötigen: Sei es als Konsumenten, sei es als potentielle Verbrecher oder sei es als Verbraucher, die sich selbst verbrauchen. Die ganze Welt löst sich auf in pure Informationen und Daten.
Die Dinge werden immer sinnloser, weil sie nur noch den Charakter von Informationen annehmen, so komplex diese auch immer im Zusammenhang stehen mögen. Mir dünkt es, die neue Errungenschaft dieser Zeit ist in der Expansion der „Sorgen“ zu sehen, in der Vervielfachung von „Krisen“ und der Freude an der Ohnmacht. Die Musik, vielmehr der Musikmarkt sei in der Krise, das Konzert wäre in der Krise, man sorgt sich um fehlende Medienkompetenz der Menschen und meint damit, dass die Maschinen uns noch nicht gut genug bedienen können. Man müsse in der digitalen Welt ankommen, hört man häufig als Vorwurf. Es handelt sich dabei in Wirklichkeit nur um den Ausruf einer großen Verzweiflung. Wir gewinnen im Moment also alle vor allem an Ohn-Macht und kompensieren das durch Misstrauen und Kontrolle. Musik kann auf diese Weise nicht leben. Sie braucht die Sicherheit des Unsicheren, um Gestalt zu werden. Genau wie die Menschen, die nicht in der Sicherungsverwahrung der digitalen Gefängnisse glücklich werden können.