Den Eröffnungsvortrag auf dem Musikratskongress „Es ist nie zu spät – Musizieren 50+“ in Wiesbaden hielt Heiner Geißler, früherer Minister für Soziales, Jugend, Gesundheit und Sport. Sein Szenario der demografischen Entwicklung und ihrer kulturpolitischen Konsequenzen war ein Aufruf zur Politisierung des Deutschen Musikrates. Hier ein Auszug aus seiner Rede, die in voller Länge unter www.nmzmedia.de nachzuhören ist.
„Die Frage, ob jemand im Alter musizieren kann, hängt natürlich von den Bedingungen ab, unter denen er leben muss. Es hängt davon ab, wo er wohnt, ob er alleine ist, oder ob der Ehepartner noch da ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann man sagen, dass alle diese Einrichtungen für alte Menschen, alle Altersheime bis hin zu den Wohngemeinschaften einfach von der Architektur her, von der Bausubstanz her kaum geeignet sind, dieses Musizieren zu ermöglichen. Man muss die Frage politisch diskutieren, wie die Wohnverhältnisse in Zukunft aussehen werden und ob man nicht bei Neubauten auf die Möglichkeit des Musizierens Rücksicht nehmen muss. Das müssen Sie aber fordern, das muss begründet werden.
Die heutigen Senioren sind aktiver denn je, sie haben endlich Zeit für das, was sie schon immer tun wollten, ein Instrument lernen, oder gemeinsam mit Anderen Musizieren. Dies setzt allerdings voraus, dass die Leute dazu auch finanziell in der Lage sind.
Eine negative Kategorisierung des Problems der Überalterung lautet heute: alt, arm und arbeitslos. Wenn man Interesse an der Kunst, an der Kunstvermittlung hat, muss man sich mit dem Wirtschaftssystem beschäftigen. Der deutsche Musikrat muss sich hier ein klein wenig politisieren. Sie sind nicht in einem Elfenbeinturm, nicht wahr? Bei einem Thema wie Musizieren 50+ würde man gerne eine politische Aussage zugunsten der alten Menschen, zugunsten einer solidarischen Rentenversicherung haben. Das wäre meine Empfehlung.“