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Bleibende Bilder und bröckelnde Illusionen

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Nach dem Ende der Jugend: Joni Mitchell und Patti Smith erfinden sich neu
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Im Grunde gab sich Joni Mitchell schon altersweise als sie 24 war und ihre Karriere gerade erst begann. Damals, im „summer of love“ 1967, schrieb sie den Song „Both Sides Now“, der zwei Jahre später auf ihrem Album „Clouds“ zum Klassiker wurde. Die poetische Bilanz lautet: Ich kenne jetzt beide Seiten, die schöne, vielversprechende und die böse, verstellende. Als Kind glaubte sie, dass alle Märchen wahr werden, sah im Himmel Eiskremburgen und Schluchten aus Federn. Jetzt weiß sie, dass die Wolken vor allem den Blick auf die Sonne verstellen und Regen bringen. Sie ist desillusioniert, aber nicht vollkommen. Denn sie bekennt, dass sie das Leben und die Liebe immer noch nicht versteht. Und durch alle Enttäuschungen hindurch hält sie an dem fest, was man ihre ursprüngliche poetische Initiation nennen könnte. Die düstere Joni bleibt die Prinzessin im Feenland – und wenn andere sie als „zickig“ oder zumindest „schwierig“ empfinden, dann vor allem deshalb, weil sie die Differenz von Wunsch und Realität so heftig spürt.

Eine krisengeschüttelte Branche setzt auf die „Rückkehr der großen Namen“ – und zwei Ikonen der Pop-Geschichte arbeiten an ihrem Alterswerk: neue Alben von Joni Mitchell und Patti Smith. Im Grunde gab sich Joni Mitchell schon altersweise als sie 24 war und ihre Karriere gerade erst begann. Damals, im „summer of love“ 1967, schrieb sie den Song „Both Sides Now“, der zwei Jahre später auf ihrem Album „Clouds“ zum Klassiker wurde. Die poetische Bilanz lautet: Ich kenne jetzt beide Seiten, die schöne, vielversprechende und die böse, verstellende. Als Kind glaubte sie, dass alle Märchen wahr werden, sah im Himmel Eiskremburgen und Schluchten aus Federn. Jetzt weiß sie, dass die Wolken vor allem den Blick auf die Sonne verstellen und Regen bringen. Sie ist desillusioniert, aber nicht vollkommen. Denn sie bekennt, dass sie das Leben und die Liebe immer noch nicht versteht. Und durch alle Enttäuschungen hindurch hält sie an dem fest, was man ihre ursprüngliche poetische Initiation nennen könnte. Die düstere Joni bleibt die Prinzessin im Feenland – und wenn andere sie als „zickig“ oder zumindest „schwierig“ empfinden, dann vor allem deshalb, weil sie die Differenz von Wunsch und Realität so heftig spürt. „Both Sides Now“ war, auf dem Höhepunkt der popkulturellen Revolution der Swinging Sixties, mitten im utopisch-hoffnungsfrohen Herzen von Hippie-Bewegung und Studenten-Rebellion, eine bittere Rückschau. Joni Mitchell empfand die Fröste der Freiheit und die Kosten der Emanzipation lange bevor sie allgemein sichtbar wurden.

Jetzt, mehr als drei Jahrzehnte später, überprüft Joni Mitchell ihr eigenes Leben und die Pop-Mythen des letzten Jahrhunderts – auf eine sehr praktische und direkte Weise: indem sie zwölf Songs covert, zehn „fremde“ und zwei eigene. Wobei Joni Mitchell, die sich als „Freak der Frische“ bezeichnet, um jeden Gedanken an ein „dead end“ von Kunst und Leben zu vermeiden, freilich das Wort „Covern“, das für sie wohl zu sehr nach bloßer Wiederholung, nach Reprise klingt, ablehnt. Sie definiert ihr Ziel anders: „nicht die Vergangenheit zu reflektieren, sondern die Songs sich irgendwie weiterentwickeln zu lassen.“

Diese Weiterentwicklung ist sehr „jazzy“ und oft sogar großorchestral: als könnte der intime Folk ihrer frühen Pretiosen „Both Sides Now“ und „Case of You“ ihre wuchernden Gefühle nicht mehr angemessen ausdrücken. Joni Mitchell setzt die Maske auf – und erkennt sich in all den anderen Stimmen wieder: Blues und Broadway gespenstern durch ihre Jahrhundert-Abrechnung, sie wird Billie Holiday, Ella Fitzgerald und Frank Sinatra, aber in großer Geste, im pompösen Sound der Verzweiflung. Es sind durchwegs Love-Songs, die sie ausgewählt hat, aber die Ambitionen und das Scheitern der Liebe, das Bröckeln der Illusionen und die bleibenden Bilder, die ihr Rest sind, wird zur Metapher eines allgemeinen Weltzustands: ein eindrucksvolles Album, das die andere Seite der Joni Mitchell zeigt – und der Auftakt zu einer Trilogie der großen Formen sein soll.

Auch Patti Smith war stets eine Ikone: freilich nicht die der Hippie-Bewegung und eines neuen, damals durchaus noch ungeniert hedonistischen Frauenselbstbewusstseins, sondern die des Punk, einer rebellischen Attitüde, die schon gar nicht mehr an den Ausweg glaubt.

Wie viele große Singer/Songwriter (Leonard Cohen, Jim Morrison, zum Teil auch Bob Dylan und Joni Mitchell) ist sie zuerst eine „poetessa“: eine Lyrikerin, die zu singen anfängt, weil sie nur so ein Publikum finden kann für das, was sie schreibt. Ihre Vorbilder waren die großen „poètes maudits“, die verfluchten und außenseiterischen Visionäre des Lebens; Rimbaud vor allem.

Freilich ist Patti Smith eine Lyrikerin von eher minderem Rang; ihre Verse erreichen kaum je die Qualität, die bei Joni Mitchell selbstverständlicher Standard ist. Wo Joni Mitchell, ähnlich wie Bob Dylan, in shakespearisch-wuchernder Metaphorik Subjektivität neu erschafft, bleibt bei Patti Smith vieles Klischee und Parole. Die Wirkung dieser Nicht-Musikerin ist, paradoxerweise, woanders begründet: in Sound und Stimme und in ihrer Performance nämlich.

„Gung Ho“ ist Patti Smiths achtes Album. Anders als Joni Mitchell hat sie keine geradlinige Karriere gemacht. Es gibt in ihrer brüchigen Autobiografie lange Zeiten, in denen sie in eine private Existenz verschwand, die ihr stets wichtiger zu sein schien als Rolle, Pose oder Ausdruck. „Gung Ho“ ist deshalb so unheimlich, weil man die Patti Smith der 70er-Jahre in ihm problemlos wiedererkennt. Es ist so viel geschehen – und doch scheint alles gleich geblieben zu sein. Die „späte“ Patti Smith sucht nicht eine andere, ihrem Alter adäquate Bühne, sondern behauptet trotzig ein „forever young“, das sie durch ihr eigenes Leben widerlegt.

Joni Mitchell, Both Sides Now, WEA.

Patti Smith, Gung Ho, BMG Ariola.

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