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Sängerinnen-Starparade (v.li.): Dianne Reeves, Angelique Kidjo und Lizz Wright. Foto: Ralf Dombrowski
Sängerinnen-Starparade (v.li.): Dianne Reeves, Angelique Kidjo und Lizz Wright. Foto: Ralf Dombrowski
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Der Druck des Jubiläums

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Die 50. Ausgabe der Internationalen Jazzwoche Burghausen enttäuschte trotz Publikumsrekord
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Zum 50. Mal wurde Burghausen, das schon etwas abseits an der österreichischen Grenze gelegene 18.000-Einwohner-Städtchen, eine Woche lang wieder zu einer Metropole. Zu einem fast schon kultischen Versammlungsort für Jazzmusiker, -enthusiasten und Szenebegleiter aus Nah und Fern nämlich. Das außergewöhnliche Jubiläum der „Internationalen Jazzwoche Burghausen“ – die damit eines der ältesten Jazz-Festivals Europas ist – mobilisierte nicht nur die veranstaltende IG Jazz und die Stadt mit ihrem langgedienten, das Fes­tival stets antreibenden Bürgermeister Hans Steindl besonders, sondern auch das Publikum. Nahezu alle Konzerte waren ausverkauft, und da es auch noch mehr waren als sonst, gab es standesgemäß einen neuen Zuschauerrekord.

Bei so viel Begeisterung möchte man kein Spielverderber sein, trotzdem muss man als neutraler, sich als Anwalt der Besucher im Sinne ihrer bestmöglichen Bespielung verstehender Beobachter festhalten, dass die große Jubiläumsausgabe künstlerisch-musikalisch nicht überzeugen konnte. Das war schon bei der Programmverkündung zu befürchten. Schon immer setzte man in Burghausen auf große Namen, um die – relativ zur Größe des Veranstaltungsortes zugegebenermaßen auch riesige – Wackerhalle zu füllen. Zum Jubiläum natürlich umso mehr – leider war so manche Mogelpackung darunter.

Schon der Eröffnungsabend krankte daran, dass bei der von Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington präsentierten Sängerinnen-Starparade mit Lizz Wright, Angelique Kidjo und Dianne Reeves jede für sich großartig war, sie aber zusammen noch kaum harmonierten. Dann die Earth, Wind & Fire Experience, die zwar eine Klasse besser waren als im vergangenen Jahr die nur durch den Erwerb der Namensrechte mit dem Original verbundenen Blood, Sweat & Tears, aber letztlich auch nur eine Coverband blieben, die kein Jazzfestival wirklich braucht. Was mehr oder weniger auch für die ermüdenden Kreisch- und Spaßbläser des Hypnotic Brass Ensembles gilt. Auch von Al Di Meola hätte man wissen können, dass er derzeit nur langweiligen, weil bei jedem Stück gleich aufgebauten und mit Gitarren-Synthie, Akkordeon und hier sogar noch zusätzlichen Streichern gezuckerten Edelkitsch abliefert. Auch die Besetzung des hier uraufgeführten Großprojekts „Latin-Jazz Sinfonica!“ hätte man sich genauer anschauen sollen: Schon die erinnerte an Crossover-Projekte früherer Zeiten, die ebenfalls daran scheiterten, dass viel zu viel zusammengeworfen wird, um von allen bewältigt werden zu können. Und selbst beim skandinavisch besetzten Avantgarde-Freitag im Stadtsaal hätte es gelungenere Kombinationen gegeben als der Sphärentrompeter Nils Petter Molvaer mit den Reggae-Veteranen Sly & Robbie – das Projekt läuft jetzt auch aus.

Natürlich gab es auch sichere Sachen. Der gewohnt leidenschaftliche Walter Trout etwa beim Blues-Nachmittag. Und selbstverständlich der nach wie vor beste (und teuerste) Entertainer im Jazzbereich: Jamie Cullum. Sehr schön auch das neue Trio Rymden, bei dem sich die e.s.t.-Recken Dan Berglund und Magnus Öström mit Tasten-Mastermind Bugge Wesseltoft zusammengetan haben. Aber Überraschungen oder gar Entdeckungen, wie sie eigentlich zu einem großen Festival gehören? Die fanden höchstens im Rahmenprogramm statt, und dann gewissermaßen „versehentlich“. So wie beim opulenten Buch zum 50-Jährigen, das vorher niemand haben wollte, weshalb es die BR-Journalisten Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer in Eigenregie machten, und das nun während des Festivals plötzlich eifrig gerühmt und angepriesen wurde. Zu Recht, war dies doch das einzige Projekt, das sich wirklich mit der Festival-Tradition auseinandersetzte.

Denn auch die einzige wirkliche Entdeckung der Woche bekam man als Nebeneffekt der Buchung des Star-Schlagzeugers Wolfgang Haffner für die Sessions im Jazzkeller: den 21-jährigen Pianisten und Hammond-Organisten Simon Oslender, der sich unglaublich reif präsentierte. Bei diesen nächtlichen Sessions, da konnte man sie wieder erleben, die unverwechselbaren Burghauser Momente. Der andere Aktivpos­ten war wie schon in den vergangenen Jahren der Prolog mit dem „11. Europäischen Burghauser Nachwuchs-Jazzpreis“ – eine Veranstaltung, die die IG Jazz einst gar nicht haben wollte, die aber dem Festival seither mit überragendem Erfolg jugendliche Züge ins älter werdende Gesicht zaubert. Von den fünf Nachwuchspreis-Bewerbern setzte sich LBT, das Leo Betzl Trio aus München, mit in klassischer Klaviertrio-Besetzung handgemachtem Techno-Jazz durch. Eine bereits andernorts preisgekrönte kleine Revolution, die – wie alle Revolutionen – das Publikum polarisiert. Gegen die Meinung vieler Traditionalisten sah die Jury klugerweise, dass der Jazz Infusionen braucht, die ihm neues Publikum bescheren. Und setzte LBT vor das polnische Weezob Collective (mit dem herausragenden Mundharmonika-Spieler Kacper Smolinski, der auch den Solistenpreis bekam) und das konventionellere, aber hochvirtuose Quartett Lobster. Klug war dementsprechend die Entscheidung, den sonst als „Next Generations Day“ jungen deutschen Bands gewidmeten Schluss-Sonntag diesmal drei ehemaligen Preisträgern zu überlassen.

Es wird sich in Zukunft trotzdem einiges ändern müssen, wenn Burghausen seinen Rang behalten will. Die großen Stars, die alleine über ihren Namen eine Wackerhalle füllen, sterben dem Jazz davon. Man muss keine „Neuheitenmesse“ werden und darf auch weiter eher den Bauch als den Kopf bedienen. Aber wenn man sich nicht dem Pop andienen will, wird man thematischer arbeiten und so den unglaublich reichen Jazz-Mittelbau mit all den herausragenden, aber eben nicht „berühmten“ Musikern viel mehr in den Fokus nehmen müssen. Und bei allem Charme des Ehrenamtlichen sollte man dafür zumindest die Sichtung und Planung des Programms professionalisieren.

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