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In der Hand je eine Statuette des Bildhauers Otto Hajek: die German-Jazz-Trophy-Preisträger 2018 Rolf (li.) und Joachim Kühn. Foto: Hans Kumpf
In der Hand je eine Statuette des Bildhauers Otto Hajek: die German-Jazz-Trophy-Preisträger 2018 Rolf (li.) und Joachim Kühn. Foto: Hans Kumpf
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Elf Tage zwischen Cyber-Spektakel und Sternstunden

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Mit einem neuen Besucherrekord ging die Jubiläumsausgabe des Stuttgarter Festivals Jazzopen zu Ende
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Mit einem Mix aus Pop, Rock und Jazz sind die seit 1994 jährlich in Stuttgart stattfindenden Jazzopen mittlerweile auch über die Region hinaus fest im Veranstaltungskalender verankert. Bei seiner 25. Ausgabe präsentierte das Festival unter anderem Auftritte von Kraftwerk, Pat Metheny, Jamie Cullum, Jamiroquai, Gregory Porter, Till Brönner, Lenny Kravitz, Stanley Clarke, Marcus Miller, Wolfgang Dauner, Michael Wollny, Chico Freeman und GoGo Penguin. Zum Auftakt wurden die Brüder Rolf und Joachim Kühn mit der German Jazz Trophy geehrt.

Mit der stolzen Bilanz von 45.000 Besuchern und einer Bühnenauslastung von 99 Prozent konnten die Veranstalter des Stuttgarter Festivals „Jazzopen“ im Jubiläumsjahr ein mehr als zufriedenes Fazit ziehen. 1994 aus dem Stuttgarter Jazzgipfel hervorgegangen, ist das jährliche Sommerevent im 25. Jahr seines Bestehens nicht nur im Herzen der Landeshauptstadt, wo auf dem Schlossplatz seit 2011 die Hauptbühne der Jazz­open steht, sondern auch in der ers­ten Riege derartiger Veranstaltungsreihen europaweit angekommen – die Jazz­open werden in einem Atemzug mit dem North Sea Jazz, dem Umbria Jazz und dem Festival de Jazz de San Sebas­tián genannt. Selbst das große Vorbild Montreux scheint nicht mehr so weit entfernt. Das Festival hat sich zu einem Publikumsmagneten entwickelt, dessen Reichweite mittlerweile weit über die Region hinausreicht. Bei Konzerten von Gregory Porter, Till Brönner, Lenny Kravitz oder Stanley Clarke, um nur ein paar Höhepunkte der Jubiläumsausgabe herauszugreifen, mit denen sich im übrigen auch das im Festivalnamen zum Ausdruck kommende, bewusst heterogene Profil der Jazzopen trefflich illustrieren lässt, konnte man Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus treffen. Im April wurden die Jazzopen als „Festival des Jahres 2017“ mit dem renommierten Branchenpreis „LEA“ ausgezeichnet.

Seit vergangenem Jahr wird auch der Innenhof im Alten Schloss in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schlossplatz bespielt. Regelmäßig animiert die stimmungsvolle Spielstätte Künstler zu Ausnahmekonzerten. Was 2017 Herbie Hancock gelang, war in diesem Jahr Pat Metheny vorbehalten: Auch mit 63 in Ringelpulli und Sneakers noch immer ein Collegeboy par excellence, präsentierte der US-amerikanische Gitarrist, unterstützt von einem hochkarätig besetzten Trio, ein fulminantes Querschnittspanorama. „This is not America“ erhielt als Instrumental im farbig illuminierten, dreigeschossigen Renaissance-Arkadenhof nochmal eine ganz andere historische Dimension von stummer, tiefer Eindringlichkeit – ein unvergessliches Highlight des diesjährigen Festivals. Dass alle bislang genannten Acts 2018 nicht zum ers­ten Mal bei den Jazzopen aufgetreten sind, entspricht einer Programmpolitik, die bereits in Vergangenheit auch Kritik hervorgerufen hat. Wenn Jamie Cullum in diesem Jahr zum sechsten Mal in Folge den Schlossplatz im Sturm nimmt, mag das den Vorwurf der Redundanz untermauern. Andere freuen sich jedoch bereits auf seinen Auftritt 2019. Das Wiederholungsprinzip ist auch eine Art Stabilitätskriterium, steht für Kontinuität und verleiht dem Programm eine Aura der Verlässlichkeit, die identitätsstiftend wirkt. So schloss sich gerade mit dem Auftritt von Metheny der Kreis zum ersten Festival, als der Meistergitarrist zuletzt zu Gast war.

Festivaldebüts blieben dagegen die Ausnahme, auf den großen Bühnen wäre neben Jamiroquai vor allem Kraftwerk zu nennen, die ihre 3D-Show durch eine Live-Schalte zur ISS auf die Ebene eines Cyberspace-Spektakels beförderten. Mit Auftritten von Michael Wollny, GoGo Penguin oder Chico Freeman wurden auch dezidiert dem avancierten Jazz zugetane Ohren bedient, freilich oft in kleineren Spielstätten wie dem Eventcenter SpardaWelt oder dem Jazzclub Bix. Im Ludwigsburger Scala begeisterten Marcus Miller, Tom Ibarra und LP. Auch die Gesamtdramaturgie des elftägigen Events mit über 50 Konzerten zwischen dem Paukenschlag-Finale auf dem Schlossplatz (heuer: Die Fantastischen Vier) und dem würdigen Auftakt mit der German Jazz Trophy, gestiftet von der Stiftung Kunst und Kultur der Sparda-Bank Baden-Württemberg, der neuen musikzeitung und JazzZeitung.de sowie der Kulturgesellschaft Musik+Wort e.V. Stuttgart, hat ihre stimmige Form gefunden. Mit einem grandiosen Preisträger-Duokonzert bedankten sich die Brüder Rolf und Joachim Kühn für die diesjährige Auszeichnung. Ein eintrittsfreies Recital von Wolfgang Dauner in der Domkirche St. Eberhard bleibt ebenfalls als Jazz-Sternstunde in Erinnerung, wie überhaupt die neuen Open Stages, etwa im Stadtpalais, die das Festival noch intensiver mit der Stadt verknüpfen. Verschiedene Live-Streams, auch dies eine Neuerung, sind über die Homepage nach wie vor abrufbar. Dass ein Festival wie die benachbarten Ludwigsburger Schlossfestspiele, deren Fokus auf klassischer Musik liegt, in ihren Nebenreihen teilweise ein innovativeres Profil auszubilden in der Lage sind als die Jazzopen, sollte den Machern des Stuttgarter Erfolgsevents allerdings auch im Jubiläumsjahr ein wenig zu denken geben.

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