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Manfred Schoof. Foto: Marianne Schoof
Manfred Schoof. Foto: Marianne Schoof
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Großer Auftritt mit einer Jazzlegende

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Das Bundesjugendjazzorchester ehrt Manfred Schoof zum achtzigsten Geburtstag
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Nach rund fünf Stunden Probe wirken die jungen Frauen und Männer im Bundesjugendjazzorchester (BuJazzo) alles andere als taufrisch, hängen in ihren Orchestersitzen und unterdrücken grimassierend das Gähnen. Der großgewachsene, schlanke Herr mit dem weißen Schopf ihnen gegenüber am Dirigentenpult jedoch sprüht noch immer vor Elan und Energie.

Professor Manfred Schoof feilt an jedem Titel, an Einsätzen, Dynamik, Intonation, als sei das Wort Erschöpfung in seinem Wortschatz nicht existent. Und doch hat Schoof – einer der Großen im deutschen und europäischen Jazz – am 6. April sein achtes Lebensjahrzehnt vollendet. Mit dem BuJazzo probt er für das Konzert zu seinen Ehren in der Kölner Philharmonie, zu dem der Trompeter und Flügelhornist auch einige Weggefährten mit großen Namen eingeladen hat.

Sellbstbeweihräucherung ist seine Sache nicht, das zeigt sich später im Gespräch mit ihm. Manfred Schoof spricht nicht als Erstes von sich selbst, zieht keine Bilanz - er macht seiner Sorge und seinem Ärger darüber Luft, dass die Kultur in der Gesellschaft ins Hintertreffen gerät, und dass speziell die Musik nicht mehr den ihr gebührenden Stellenwert hat. „Musik ist eine wichtige Kultursprache, der Mensch lebt von der Musik“, sagt der Jazzprofessor energisch. „Das fehlt heute an den Schulen völlig, die Kinder werden musikalisch nicht mehr gefördert, können sich nicht mehr ausprobieren – und sei es, dass man ihnen einfach ein paar Rasseln in die Hand drücken würde.“

Mit der professionellen Ausbildung des Musikernachwuchses hingegen ist Schoof sehr einverstanden: „Heute gibt es eine hervorragende Ausbildung, sehr breit und vielfältig. Und die Studenten bekommen weit mehr Informationen über das Musikbusiness, so dass sie nicht nur für die reine Musikerlaufbahn gerüstet sind, sondern auch als Musikredakteure, Tonmeister oder in der Lehre arbeiten können. Das war zu meiner Zeit ganz anders.“

Manfred Schoof erinnert sich noch genau, wie die Liebe zu seinem Hauptinstrument Trompete entflammte: „Klavierunterricht hatte ich, und auch mit der Gitarre hatte ich es versucht. Und dann sah ich einen Hollywoodfilm mit dem Trompeter Harry James – das war‘s. Die Trompete ist ein Signalinstrument, Symbol für Sieg und Aufbruch, das faszinierte mich.“ Ob er sich ein anderes Instrument für sich vorstellen könnte? Schoof lächelt verschmitzt: „Ich wüsste nichts Besseres, auch wenn die Trompete ein sehr forderndes Instrument ist. Vielleicht würde ich noch das Saxophon wählen – und ich bewundere die Violine, aber dann hätte ich als Komponist mehr in die klassische Schiene gehen müssen. Die Geige ist nicht wirklich ein Jazz-Ins­trument.“

Dem Jazz gehört auch mit 80 Jahren Schoofs ganze Leidenschaft – Jazz in all seinen Facetten, nicht nur der Free-Jazz, den er mit seinen Weggefährten Mitte der 60er-Jahre mitprägte, in einer europäischen Version, deutlich abgesetzt vom Jazz in den USA und mit vielen Bezügen zur Neuen Musik. „Jazz kann alles absorbieren“, sagt der Musiker, „und es ist immer wieder aufregend, zu erleben, wie sich ein Stück auf der Bühne musikalisch entwickelt.“

Schoof, der für so unterschiedliche Orchester wie die von Kurt Edelhagen, Globe Unity, Erwin Lehn oder Kenny Clarke und Francy Boland komponiert und gespielt hat, weiß natürlich auch um den Ruf des Jazz als schwere Kost. „Das Publikum ist nach Jazz-Konzerten oft überrascht über die eigene Leistung“, sagt er und lacht. Er sei, sagt der Musiker, „froh, Jazz zu machen“ - ohne dabei seine Arbeit für Film und Fernsehen geringzuschätzen. „Ich habe Glück gehabt“, sagt er rückblickend, „aber ich habe meine Ausflüge in andere Genres auch immer als Bereicherung gesehen, Berührungsängste hatte ich nie.“ Schoof komponierte zahlreiche Musikstücke für Filme und Fernsehserien, beispielsweise für die „Sendung mit der Maus“ oder die WDR-Serie „Der Spatz vom Wallrafplatz“. Natürlich, sagt Schoof, habe ihm diese Arbeit auch oft die Haushaltskasse aufgebessert, doch sei sie auch herausfordernd gewesen, weil er anders mit Tönen umgehen musste als gewohnt. „Andererseits ist Jazz in so viele Musikrichtungen eingeflossen, auch in den kommerziellen Pop. Das,wird zwar so nicht wahrgenommen, aber das, was den Jazz ausmacht, hat sich tief eingegraben in die Melodik, die Rhythmik. Jazz ist nicht tot, Jazz ist allgegenwärtig.“

Man mag Manfred Schoof, diesen im Gespräch wie in seinen Bewegungen so sprühend lebhaften Jazzer, fast nicht fragen, wie er sich fühlt mit 80 Lebensjahren. Doch für ihn ist es nur eine Zahl, er definiert sich nicht über dieses Datum. „Ehrlich, ich weiß nicht, wie alt ich bin“, gesteht er ein, „es gibt auch so viel, was ich tun will, ausprobieren möchte. Solange ich die Trompete oder das Flügelhorn anständig spielen kann, tue ich das.“ Zufrieden fügt Manfred Schoof hinzu: „Studien zeigen, dass Musiker sehr selten Alzheimer bekommen – unser Gehirn ist halt ständig gefordert und in Bewegung.“

Spricht’s – und enteilt mit seinen beiden abgewetzten Instrumententaschen zur nächsten Verabredung. Die fünfstündige Orchesterprobe hat Manfred Schoof ganz offensichtlich besser weggesteckt als die jungen Musiker, die davon träumen, einmal in die Fußstapfen der Jazz-Legende zu treten.

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