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Magisches Viereck von Pop, Folk, Rock und Country

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Gitarren-Underground: Dave Schramm präsentiert sein neues Album
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Vielleicht tröstet es Dave Schramm, zu wissen, wie hoch die Auflagen der Surrealisten oder Georges Batailles einst waren und dass sich die Kundschaft von Artauds Epoche machendem Theater der Grausamkeit anfangs problemlos in jedem Wohnzimmer unterbringen ließ.

Popkulturelle Wirkung entzieht sich den Methoden der Marketing- und Meinungsumfrage-Gurus. Millionenseller von heute sind morgen schon vergessen – und Avantgardisten, die Geschichte schreiben, zu einem Bohème- oder Proletarier-Dasein gezwungen, weil sich ihre Marktanteile gerade irgendwo im Promillebereich verlieren. Vielleicht tröstet es Dave Schramm, zu wissen, wie hoch die Auflagen der Surrealisten oder Georges Batailles einst waren und dass sich die Kundschaft von Artauds Epoche machendem Theater der Grausamkeit anfangs problemlos in jedem Wohnzimmer unterbringen ließ. Jedenfalls ist er professionell genug, seinen Konzert-Enthusiasmus nicht von der Zahl der verkauften Eintrittskarten abhängig zu machen. Und das Publikum, jedenfalls in einem erlesenen Club wie der „Alten Mälzerei“ in Regensburg, dankt es ihm mit einer rar gewordenen Begeisterung und Kompetenz.

Dave Schramm negiert wie kaum ein anderer das Boy Group-Prinzip: Wer Glamour sucht, findet bei ihm Karo-Hemden. Und Sex-Appeal ist im Hobokener Gitarren-Underground keine Sache des Outfits, sondern einer Erfahrung, die nichts auslässt.

Avanciert ist Dave Schramm, weil er nicht nur die Traditionen seines Landes, sondern auch deren „Sub-Text“ kennt: „Folk“ ist bei ihm nicht bedingungslose Bejahung des Bestehenden, sondern ein Archiv des beschädigten Lebens, das sich nur noch maskiert ausdrücken kann.

Dave Schramm ist ein virtuoser Spurenleser – im eigenen wie in fremden Leben. Und er ist ein raffinierter Sound-Tüftler und Guitarrero, der im magischen Viereck von Rock, Country, Folk und Pop seine ganz eigene, unverwechselbare Möglichkeit gefunden hat, seine eigene Existenz in einen Mythos zu verwandeln: in eine exemplarische Geschichte, in der sich die Geschichten vieler anderer wiederfinden.

Dave Schramm war Mitbegründer der US-Kultband Yo La Tengo (Besprechung von deren neuester CD in der letzten nmz!), er hat mit den ex-dBs Peter Holsapple und Chris Stamey, ebenfalls Kraftzentren des Gitarren-Undergrounds, zusammengearbeitet, sein Einfluss findet sich auf Alben von Kate Jacobs oder Soul Asylum.

Und doch ist seine eigene Band, die Schramms, durch alle wechselnden Besetzungen hindurch unverwechselbar: Melancholie, die mit Ressentiments nicht das Mindeste zu tun hat, sondern sich einer tiefen, fast „buddhistischen“ Trauer über den Zustand der Welt verdankt. Wo es keine Schuldigen mehr gibt, sondern nur noch Verstrickte, erscheint alles noch aussichtsloser – und gleichzeitig wird der Blick für Strukturen, das Veränderbare in all der Tragik, geschärft.

Live ist Dave Schramm, was man nicht von allen „Vorreitern“ sagen kann, berückend musikantisch: Seine Sounds verdichten sich rasch zu Melodien, die wie von selbst das Zeug zum „Volkslied“ haben, und zugleich kann seine Gitarre, wenn der Ausdruck keine Sprache mehr findet oder sich dem Kode verweigert, vertrackten kakophonischen Lärm hervorbringen, der dann wüster und insistenter ist, als es Metal-Stereotypen gestatten.

Dave Schramm ist nicht zuletzt deshalb „live“ so überzeugend, weil er das Konzert nicht als Reproduktion der Studio-Situation begreift, sondern als Chance der improvisierenden Erweiterung, Ergänzung, auch Überprüfung der Komposition.

In jedem Schramms-Konzert schiebt sich ein ganz neuer und anderer Text über den bekannten; Die Differenz macht vieles klarer; sie ist auch ein Glücksmoment.

Aktuelles Album: The Schramms, 100 Questions, Blue Rose Records/Zomba.

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