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Gewohnt streng und präzise: Abdullah Ibrahim. Foto: Andre Kempner
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Traditionell Innovatives aus Südafrika nach Sachsen

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Die 31. Leipziger Jazztage zelebrierten den „Focus: South Africa“
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Jazz ist, wie die Zeit vergeht. Die 31. Leipziger Jazztage boten Anfang Oktober nicht weniger als zweieinhalb Dutzend Programmpunkte, stellten gut 77 Künstlerinnen und Künstler auf, sorgten für mindestens 24 Stunden Genuss und Unterhaltung. Gegen Ende fragte sich dann manch ein Dauergast, ob es das wirklich schon wieder gewesen sein soll. Viel zu rasch ging ein fulminantes Feuerwerk über die diversen Bühnen, das es mit Jazz, der sich an seinen Wurzeln reibt, um in steter Erneuerung in den gelebten Alltag und ganz weit nach vorn ins versuchende Wagnis zu schauen, tatsächlich ernst gemeint hat.

Mehr denn je geriet das Jazzfest in seinem 31. Jahrgang zur Inkarnation des künstlerischen Leiters. Einer One-Man-Show gleich, verkörperten die Leipziger Jazztage 2007 deutlich das von Bert Noglik gewollte Profil. Wirklicher Schaden ist das nicht, denn der moderierende Macher beweist sich erneut als ebenso kenntnisreich wie geschmackssicher. Er ist ein absoluter Experte, der sich für Suche und Neuentdeckungen niemals zu schade ist. So hat er auch diesmal Formationen ans Leipziger Licht ge- und befördert, die nie zuvor zu hören gewesen sind. Wer das aktuelle Thema „Focus: South Africa“ reflektiert, mag meinen, so schwer sei es wohl nicht, Novitäten vom südlichen Zipfel des Schwarzen Kontinents in die Mitte Europas zu holen. Doch es irrt, wer heute noch von einer jazzigen terra incognito ausgeht.

Breiterem Publikum mag neben Abdullah Ibrahim kaum ein südafrikanischer Jazzer bekannt sein, auch dieser Guru des musikalisch zelebrierten Widerstands gegen Apartheid und Unterdrückung ist ja vor allem durch seine mutige Verwebung von beständiger Folklore mit aufbegehrend Innovativem populär geworden. In Leipzig aber hat der immerhin 73-jährige Meister mit einer einstündigen Solo-Andacht am Piano überrascht, die seinen vor mehr als vierzig Jahren vorgebrachten „Good News from Africa“ glücklicherweise Recht geben durfte.

Amerikanische Wurzeln, afrikanische Quellen

Dass die Wurzeln des Genres in Nord-amerika liegen, ist weithin bekannt. Doch gespeist werden sie nachhaltig aus afrikanischen Quellen. Und die Basis für alles, was Jazz heißt, ist Widerstand. Sowohl musikalisch als auch gesellschaftlich bedeutet er Reibung Überwinden des Bestehenden, Verschmelzen von Parallelen und Gegensätzen. Jazz besticht durch Lebendigkeit und immer wieder Neues.

Die 31. Leipziger Jazztage haben sich in besonderer Weise um die Historie dieses von steter Erneuerung lebenden Genres verdient gemacht, indem sie – nach „Arabian Aspects“ im Jahr 2006 – nun mit „Focus: South Africa“ titelten. Kaum je dürfte in Deutschland Südafrikas Jazz derart thematisiert worden sein, obwohl die Szene aus vielfältigen Ethnien, im besten Sinne auch von Folklore, vom kreativ angeeigneten Tonsatz der Kolonisten und in vergangenen Jahrzehnten auch vom Anti-Apartheid-Kampf gespeist ist. In dieser Melange hat Bert Noglik, künstlerischer Leiter des Festivals, ein exzellentes Programm gesucht und gefunden. Ganz ohne große Namen wie dem von Abdullah Ibrahim geht das sicherlich nicht, obwohl das Konzept insgesamt mehr auf das Entdecken von Neuem setzt.

Gar nicht im Schatten dieser Instanz feierten Landsleute um McCoy Mrubata und Paul Hammer im speziell für Leipzig geschaffenen Sextett den südafrikanischen Jazz als veritablen Schmelztiegel. Expressive Spielfreude und virtuoses Austasten neuer Wege auf durchaus traditionsbewusster Basis gelang auch dem kultigen Klangmagier Carlo Mombelli mit seinen „Prisoners of Strange“ aus Johannesburg. Während der Apartheid wie so viele seiner Kollegen ein Exilant, lebt der witzig gebliebene Avantgardist längst wieder in seiner Heimat und besticht mit dem Zauber aus Soundexperiment und Perfektion.

Internationalität und junges Publikum

Die „South African – Dutch Connection“ um den Niederländer Paul van Kemenade und den in einem Township aufgewachsenen Feya Faku beleuchtete, wie wunderbar geschmackssicher Saxophone, Trompete und Flügelhorn in jazzigem Ambiente polyphone Strukturen entstehen und variieren lassen können. Auch die vielfältige Saxophonistin Shannon Mowday zeigte sich der Moderne und den eigentlichen Wurzeln der Gattung verpflichtet und verstand es, lustvoll nicht nur zu wildern, sondern mit ihrer Formation einen furiosen Blick auf und aus die „African Eyes“ zu werfen.

Neben dem Südafrika-Focus sichtete das Fest den Jazz auch global und distanzvoller und bewies erneut dessen weltweite Verwobenheit. Der Norweger Karl Seglem setzte den Kontrapunkt zum Süden; dennoch bewies auch er sich in der Tradition des Archaischen, doch war er mit Fiedeln und Elektronik mal in nordische Mythen und oft in klangliches Neuland entschwunden. Der Sarde Paolo Fresu lud den Pianisten Stefano Bollani zum musikalischen Gipfeltreffen mit seinem Trio ein und zündete ein wahres Feuerwerk. Das vierhändige Vorspiel Bollanis mit Fresus Tastenguru Antonello Salis stand solitär als veritables Zauberstück. Aus den USA kam „The Bad Plus“ um Ethan Iverson, ein ebenso klassisches wie originelles Trio, das auch mal Ausflüge in die Welt des Pop wagt, um sie jazzvoll perfekt umzupflügen. Ein spaßiges Heimspiel kosteten Studiosi der Leipziger Musikhochschule um Beat Freisens Spelunkenorchester aus. Als Überraschung waren das niederländische Stimmwunder Greetje Bijma und der Organist Klaas Hoek im Raum der Reformierten Kirche angesagt.

Selten sind Festivals so konsequent wie vielfältig, denn neben „Focus: South Africa“ konnten gestandene Gäste im Leipziger Schauspielhaus ein Wiederhören mit Ulrich Gumpert feiern oder in Nachtklubs wie Moritzbastei und Nato alternativeren Ensembles begegnen. Dass seit Jahren in Leipzig auch an die Jüngsten gedacht wird, ist ein wunderbares Omen für die Zukunft des unsterblich sich erneuernden Jazz. Diesmal zelebrierte wieder Julianes Wilde Bande „Jazzmusik für kleine Leute“, ein Hoffnungszeichen mit Spaß und Respekt vor dem Genre. Die kleinen und großen Leute waren begeistert. Als ob die Zeit auch einmal stillstünde. Jazz sei Dank!

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