Political Correctness der Sprache garantiert noch lange keine korrekte Behandlung. Mit Erlaubnis seines Freundes Armin Heitz, dem begnadeten Swing-Gitarristen aus Karlsruhe, erlaubt sich der Verfasser, von „Zigeunern“ zu sprechen, ohne Diskriminierendes zu meinen.
Political Correctness der Sprache garantiert noch lange keine korrekte Behandlung. Mit Erlaubnis seines Freundes Armin Heitz, dem begnadeten Swing-Gitarristen aus Karlsruhe, erlaubt sich der Verfasser, von „Zigeunern“ zu sprechen, ohne Diskriminierendes zu meinen. Die Nazis vernichteten eine halbe Million Zigeuner, ohne dass bisher ernsthaft „Wiedergutmachung“ stattgefunden hat. Überall in der Welt werden Zigeuner diskriminiert wegen Eigentumsdelikten und Straftaten in Folge von Ehre-Problemen – kaum ein Volk hat einen so rigiden Ehrenkodex wie die Zigeuner. Trotz des Holocaust gibt es (wieder) Zigeuner bei uns, die Leute sind mobil, und die Mehrheit rumänischer Asylbewerber sind Zigeuner.Zigeunermusik fanden alle gut, ohne genau zu wissen, was das ist. Klischees wie „Lustig ist das Zigeunerleben“, vom Flamenco oder aus der Puszta sind fast unsterblich und bis in die Operette vorgedrungen. Man muss unterscheiden zwischen dem, was Zigeuner für sich musizieren, und dem, was man spielt für die sogenannten „Wirtsvölker“. Letztere nämlich zahlen, also werden die Musiker dieser hoch begabten Völkerschaft im Handumdrehen das beherrschen, was gewünscht ist.
In den letzten Monaten sind CDs erschienen, die unbedingt zu nennen sind: Zigeuner spielen ihre eigene Musik. Auf der in ein farbiges Büchlein verpackten Doppel-CD „Gypsy Queens/ Flammes du cour“ (Network/Zweitausendeins 32.843, 39,95 Mark) finden sich sechs der bedeutendsten Sängerinnen aus Mazedonien, Andalusien, Rumänien und Ungarn, begleitet von hochinteressanten Ensembles – gut 140 Minuten Hochspannung. In den Balkanregionen kann häufig nicht auf Zigeunermusiker verzichtet werden (trotz sozialer Ausgrenzung); insofern ist „Balkan Blues/Souffles de l’âme“ (Network/Zweitausendeins 33.858) in gleicher Ausstattung wie der vorige Titel und mit Aufnahmen von Griechenland bis Albanien eine ideale Ergänzung bei nur einer Überschneidung. Eine weitere Doppel-CD konzentriert sich wieder auf Balkan-Zigeuner: „Tziganes“ (Arcade/TIS 303 2172), und es verwundert nicht, das atemberaubende Kocani Orkestar (mazedonisches Blech) erneut zu treffen. Geheimtipp indes ist die Fanfara din Zece Prajini aus Nordost-Rumänien, wiederum massiv geblasen.
Nach allen Erkenntnissen stammen die Zigeuner aus Rajasthan im Nordwesten Indiens. Hameed Khan hat dortige Musiker versammelt und mit der Gruppe eine tolle CD aufgenommen: „Musafir: Gypsies of Rajasthan“ (Blue Flame/BMG 74321 50920 2) mit viel Gesang, Tablas, Blas- und Saiteninstrumenten, aber nur bedingt authentisch. Traditioneller ist die CD zweier Sorud-Spieler aus Belutschistan: „The Mystic Fiddle of the Proto-Gypsies“ (Shanachie/Koch Int. 65013). Hier geht es mit der urigen Kniegeige virtuos um Trance der Marke Sufi, und während die Belutschen eine längere Betrachtung verdienten, bleibt festzuhalten, sie könnten tatsächlich so etwas wie die „Urzigeuner“ gewesen sein.
Wie die neue musikzeitung aus Regensburg kommt das Trio des Pianisten Jermaine Landsberger, das auf „Gipsy Feeling“ (Edition Collage/FMS EC 516-2) das gereifte Gitarrenwunderkind Bireli Lagrene bei drei Stücken zu Gast hat. Hier gibt es frischen Swing mit Klavier, was den aufgetauten Jacques Loussier nur jazzlich wirken lässt. Souverän und gegebenenfalls im doppelten Tempo, sonst sehr entspannt: Klasse – mit dem Problem, dass US-Vorlagen manche Wurzel verdrängen.
Die neue CD meines Gitarrenfreundes und seinem Armin Heitz Zigan Swing Trio, ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Rufen Sie ihn an: 0172/722 71 91. Übrigens ist es egal, ob Sie „Gipsy“ lieber mit zwei Y schreiben. Man nahm irrtümlich an, die Leute seien aus „Egypt“ gekommen.