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Bert Noglik. Foto: Patrick Hinely/Berliner Festspiele
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Triumph und Trost

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Notizen zum Jazzfest Berlin 2014
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Im September 1964 besuchte Martin Luther King West-Berlin, um dort in Kirchen zu predigen. Sein Freiheits­ideal proklamierend, kritisierte der prominenteste Repräsentant der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung auch „die trennende Mauer der Feindschaft“, und sein politisches Engagement wurde drei Monate später mit der Verleihung des Friedensnobelpreises gewürdigt.

Während seines Aufenthaltes eröffnete Martin Luther King (MLK) auch die Berliner Festspiele mit einer Gedenkrede zur Ermordung von John F. Kennedy ein Jahr zuvor und die gerade gegründeten Jazztage, für die er ein Vorwort geschrieben hatte. Die klangästhetischen und politischen Dimensionen des Jazz hat MLK da, so Bert Noglik, künstlerischer Leiter des Jazzfest Berlin, „sehr poetisch als Musik des Triumphes und des Trostes gekennzeichnet. So besteht ein Zusammenhang, denn die Bürgerrechtsbewegung und der Jazz dieser Zeit waren eng miteinander assoziiert, wie etwa bei Max Roach, Charles Mingus oder John Coltrane evident wird. Einerseits wurde der Tonfall der Prediger in der Stilistik adaptiert, andererseits von ihnen aber auch das Freiheitsbestreben thematisiert.

Zwar war MLK persönlich mehr mit Gospel und Soul verbunden, aber bei seiner berühmten Rede „I have a dream“ stand neben ihm Mahalia Jackson, die ihm eingeflüstert hat „sag ihnen doch etwas von deinem Traum.“ Dieser Impetus wirkt bis in die Gegenwart, worauf der afro-britische Saxophonist Denys Baptiste mit der Aufführung von „Now is the time – Let Freedom ring“, über die Trends der 1970er direkt Bezug nimmt.
Zentrale Bedeutung hat in diesem Kontext die Auftragskomposition und Premiere „Tribute: MLK Berlin ’64“ vom Multiinstrumentalisten Elliot Sharp aus der Downtown-Szene New Yorks, ein Projekt mit Visuals und Texten, die Tracy Morris und Eric Mingus, der Sohn von Charles Mingus, singen und rezitieren werden.

„Ich wollte auch unbedingt, dass die Race-Relation-Thematik auf eine neue Weise, genauer: aus der Avantgarde-Perspektive reflektiert wird, und dazu erschien mir Elliott Sharp, der kein Afro-Amerikaner, sondern ein Jude ist und sich in ethnischer Diversität bewegt, besonders geeignet“, sagt Bert Noglik. Darüber hinaus wird der US-amerikanische Sänger Kurt Elling mit der WDR Big Band unter der Leitung von Richard DeRosa „Freedom Songs“ nicht nur des Jazz, sondern auch aus dem Repertoire europäischer Lieder präsentieren und bei diesem Konzert aus Reden von MLK rezitieren.

Reminiszenzen an Eric Dolphy, stilprägender Multiinstrumentalist in der Band von Charles Mingus, Ikone des Übergangs zur Moderne und Avantgarde im Jazz und gestorben 1964 in Berlin, werden in der „Love Suite“ mit Silke Eberhard sowie in einem Projekt von Aki Takase und Alexander von Schlippenbach wieder aktuell. Hinzu kommen weitere Hommages wie „Monk’n’Roll“ von Francesco Bearzatti. Vorwort und Freiheitsideal von MLK prägen somit als „grandioser Referenzpunkt und Gravitationszentrum“ (Bert Noglik) weitgehend das Programm beim Jazzfest Berlin 2014, das im Ganzen die Dialektik von Tradition und Innovation durch Musiker verschiedener Generationen vorstellt.   

Programmhinweis
Sonntag, 5. Oktober „Ein Tag für ... Martin Luther King, Jr.“, Haus der Berliner Festspiele, 16 bis 22 Uhr
20 Uhr: Konzert Denys Baptiste „Now Is the Time – Let Freedom Ring!“, Eintritt frei!

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