Das laufende Jahr läuft zu Ende … das kommende ist im Kommen. Die letzte Feierstunde zu Ehren des noch andauernden 200. Todesjahrs des Vaters der Wiener Klassik findet am 3. Dezember in der Suntory Hall Tokyo statt, in Gestalt der Uraufführung von Helmut Schmiedingers Konzert für Violine und Orchester „Metamorphosen über Joseph Haydn“, dessen Titel seinerseits eine ältere Haydn-Hommage von Peter Ruzicka zu paraphrasieren scheint. Auf dieser anderen Seite der Welt dagegen markiert am 15. Januar 2010 die Uraufführung von Bernd Frankes „CUT IX (for R.S.)“ in der Düsseldorfer Tonhalle den Auftakt zu Robert Schumanns 200. Geburtsjahr. Dort spielt die schon qua Titel zuständige Österreichisch-Ungarische Haydn-Philharmonie, hier sind es die Düsseldorfer Symphoniker, die geflissentlich den Reigen der Schumann-Gratulanten eröffnen, als hätten sie noch heute wett zu machen, dass ihre Vorgänger einst dem Düsseldorfer Städtischen Kapellmeister zwei Jahre das Leben schwer gemacht hatten.
Dass die Romantik auch heute die Komponisten noch nicht loslässt, und in vielen zeitgenössischen Werken zumal die Musik von Schubert und Schumann durchscheint, wird laut Ankündigung beim Berliner Festival für Neue Musik „Ultraschall“ zu beobachten sein, das die Folge der alle Jahre wiederkehrenden Musikfestivals am 22. Januar turnusgemäß eröffnet. Bis zum 31. Januar sind hier mehrere deutsche Erstaufführungen zu erleben sowie Uraufführungen von Ramón Lazkan, Fabián Panisello, Paul-Heinz Dittrich, Malika Kishino, Johannes Schöllhorn, Clara Maïda und eine vom Vokalensemble „Maulwerker“ neu ausgearbeitete Version von Dieter Schnebels 1961 in Darmstadt uraufgeführter „Glossolalie“. Wie Dittrich wird auch Schnebel nächstes Jahr seinen 80. Geburtstag feiern, hoffentlich jedenfalls, denn in der Vergangenheit sind die wichtigen Vertreter der Nachkriegsavantgarde Stockhausen, Kagel und Pousseur alle jeweils wenige Monate vor ihrem Jubeltag verstorben.
Gefeiert wird 2010 natürlich auch die Fußball-WM in Südafrika und der 150. Geburtstag von Gustav Mahler, unter anderem in der neuen Europäischen Kulturhauptstadt Essen samt umliegendem Ruhrgebiet. Immerhin wurde hier am 27. Mai 1906 Mahlers 6. Symphonie uraufgeführt, und mögen die im Finale dieses Werks vorkommenden schweren Hammerschläge, die der Symphonie den Beinahmen „die Tragische“ eintrugen, auch eine Referenz an die einstige Eisen-, Stahl- und Schmiedemetropole des Deutschen Reichs gewesen sein. Doch schon vor Monaten ließen die Organisatoren verlautbaren, dass manche ihrer geplanten Veranstaltungen infolge der durch die Wirtschaftskrise wegbrechenden Sponsorenmittel nicht oder nur teilweise werden stattfinden können. Da geht es ihnen wie mit jeder Agenda, ob sich diese nun nach den Jahren 2010 oder 2020 nennt; immer kommt irgendwann der Zeitpunkt, da sich die hochgesteckten Ziele am real Erreichten messen lassen müssen.
Weitere Uraufführungen:
2.12.: Jan Kopp, Stillen für Ensemble, Bürgerhaus Backnang
3.12.: Hans Ulrich Engelmann, Transfonia für Ensemble, Musikhochschule Frankfurt
3.–5.12.: Nikolaus Brass, Oliver Schneller, Karlheinz Stockhausen, Christoph Ogiermann, Ludger Brümmer, neue Werke, „Piano+“ am ZKM Karlsruhe
5.12.: Michel Welfringer, typographie, rainy days Luxemburg
5.12.: Carola Bauckholt, Hans-Joachim Hespos, Nicolaus A. Huber, neue Werke, Theaterhaus Stuttgart
12.12.: Sebastian Claren, Traces für Harfe und Orchester, Berliner Philharmonie
15.12.: Moritz Eggert, Tetragrammaton für Streichorchester, Liederhalle Stuttgart
19.1.: Magret Wolf, baShalechet, Gasteig München
29.1.: Magnus Lindberg, neues Auftragswerk der New York Philharmonic, Kölner Philharmonie