„Pekar. Eine Operette, in der nicht viel passiert“ – der Titel von Scott Fields abendfüllendem Werk klingt fast wie eine Drohung und geriet bei der Uraufführung in der Alten Feuerwache in Köln zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung, zumal Szenisches vorenthalten wurde. Mit Pekar ist der amerikanische Comic-Autor Harvey Pekar (1939–2010) gemeint, der mit seiner Comic-Serie „American Splendor“ („Amerikanische Pracht“) seinen eigenen Alltag inszenierte beziehungsweise ironisch überhöhte und damit ein neues Genre schuf. Sich selbst zum Thema der Kunst oder überhaupt kreativer Entäußerungen zu machen, ist in der Kulturgeschichte, zumal anhand der Entwicklung des Selbstporträts, mit dem Prozess fortschreitender Individualisierung verknüpft. Allerdings hat sich dieser Aspekt in der Gegenwart in sein Gegenteil verkehrt, sind doch im Zeitalter der sogenannten sozialen Medien der Selbstdarstellung und -entblößung keine Grenzen mehr gesetzt – was Pekar, als er 1976 seine Comic-Serie startete, allenfalls erahnen konnte.
„American Splendor“ als Comic-Operette
Aus heutiger Perspektive hat der schöpferische Ansatz, dem täglichen Leben mit trockenem Humor zu begegnen und vermeintlich banale Geschichten als Identifikations- und Projektionsflächen anzubieten, erst Recht einen doppelten Boden. Zum einen war Pekar dem Denken von John Cage und seiner Vorbilder Marcel Duchamp und Eric Satie, das Alltägliche zur Kunst zu erklären, nicht so fern. Zum anderen aber treffen seine Comics den Nerv einer amerikanischen Gesellschaft, die den Sorgen und Problemen im täglichen Dasein weit mehr Aufmerksamkeit schenkt als globalen Katastrophen und Krisenszenarien – und diese Haltung mag jüngst auch zum Wahlsieg von Donald Trump maßgeblich beigetragen haben.
Was aber bewog den amerikanischen, schon lange in Deutschland lebenden Komponisten und Gitarristen Scott Fields, sich Pekars Comics zuzuwenden? Neben engen biografischen Verbindungslinien zwischen beiden samt persönlicher Bekanntschaft war es eben diese Mischung, einerseits die abgebildete Alltäglichkeit als das zu nehmen, was sie ist, und ihr andererseits durch die Betrachtung im Brennglas eine Aura des Magischen verleihen zu wollen. Dies auf die Musik zu übertragen, ist Fields aber nur punktuell geglückt. Das Absingen von Texten aus Pekars „American Splendor-Comics“, die zum Mitlesen als Übertitel auf Leinwand erschienen, war für sich genommen zwar zunächst ein Genuss, da die virtuose ukrainische Sängerin Tamara Lukasheva den richtigen Tonfall zwischen mal latent erregter, mal naiv-unschuldiger Ausdruckskraft fand. Auf längere Sicht wurde es aber doch ermüdend; ebenso wie die Musik, obwohl es dem Scott Fields Ensemble in der ungewöhnlichen Besetzung mit Akkordeon (Florian Stadler), Marimba (Shiau-Shiuan Hung), Tuba (Maxime Morel) und E-Gitarre (Fields selbst) nicht an Präzision und Spielfreude mangelte. Anklänge an zeitgenössische Musik, Jazz und Popmusik durchdrangen sich, befruchteten sich jedoch nur wenig.
Die Beziehung zu den Bildern und Texten der Comics blieb merkwürdig fremd und belanglos. Eigenes Profil konnte die Musik aber auch nur sporadisch entfalten. Wenn ab und zu feine Riffs, grelle Melodiefragmente und raffinierte Klangmischungen aufblitzten, wurden sie sofort wieder eingedampft oder von notorischen Tuba-Einsätzen totgetreten – als fehlte Fields der Mut, die Musik schwingen zu lassen, ja, ist ihm letztlich das Vertrauen in die eigenen Erfindungen abhanden gekommen?
Gewiss, die künstlerische Fantasie kann und darf sich an allem entzünden – sei es der Planet Sirius, die Vorstellung vom „Nichts“ oder eben Harvey Pekars Comics. Die Frage ist aber erlaubt, warum Scott Fields’ Wahl auf Letztere fiel, wenn er, abgesehen vom Vokalpart, musikalisch kaum etwas mit ihnen anfangen konnte oder wollte. Das Motiv, sie hierzulande bekannter zu machen, reicht alleine nicht aus. So wirkte ihre Verwendung eher wie der Versuch, den Klängen über außermusikalische Sinnaufladung irgendeine Form der Relevanz zu verschaffen.
- Share by mail
Share on