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Lulu in Weimar. Foto: © Vincent Stefan
Lulu in Weimar. Foto: © Vincent Stefan
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Atemberaubende Klanglandschaften – Alban Bergs „Lulu“ in Weimar

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Erstaunlich: Alban Bergs Oper „Lulu“ ist schon fast achtzig Jahre alt – im Deutschen Nationaltheater Weimar jedoch war dieses fraglos zum Kernrepertoire des 20. Jahrhundert gehörende Werk bislang noch nie zu erleben! Regisseurin Elisabeth Stöppler ist also die erste, die die Geschichte rund um Lulu und ihre Verehrer auf die traditionsreiche Bühne bringt.

Dabei stand die Produktion unter einem gar nicht so guten Stern: Martin Hoff, 1. Kapellmeister am Haus und mit der Einstudierung der Partitur betraut, starb völlig überraschend im August 2016 mit 51 Jahren. Ende November übernahm Patrick Lange, zukünftiger GMD am Staatstheater Wiesbaden, das Dirigat, musste es aber Anfang diesen Jahres krankheitsbedingt wieder abgeben. „Ersatz“ fand das Theater in Stefan Lano, dem US-amerikanischen Dirigenten – ein Glücksfall, denn Lano kennt Bergs Partitur seit Jahrzehnten, arbeitete als Repetitor für Friedrich Cerha, der die „Lulu“ in die heute meist gespielte dreiaktige Fassung brachte. Als Dirigent schließlich war Stefan Lano dafür verantwortlich, die Oper unter anderem in Buenos Aires und San Francisco aufzuführen, er kennt das Stück also in- und auswendig.

Wenn sich im Nationaltheater der Vorhang hebt, fällt der Blick auf eine kühne Konstruktion aus weiß lackierten Metallprofilen, die sechs unterschiedliche Räume bilden. Das wirkt auf den ersten Blick erschlagend monumental. Doch dann erschließt sich die Konzeption: alle Räume sind durchsichtig und vermitteln den Eindruck, hier sei für die Titelheldin alles möglich, alle Wege stünden ihr offen. Doch ist das wirklich so? Dieser Frage geht Regisseurin Elisabeth Stöppler akribisch nach. Frank Wedekinds süße Lulu – kann sie ihr Leben wirklich selbst gestalten, oder wird sie fremd bestimmt?

Zu Beginn tauchen all die Männer, die in Lulus Leben an Bedeutung gewinnen werden, in der Menagerie des Tierbändigers auf, den Damon Nestor Ploumis (wie später den Athleten) tief grundiert als brutalen Egozentriker gibt. So ist die Schlange Lulu nur eine von vielen furchterregenden Kreaturen. Und Lulu schafft es auch später nur, sich zu behaupten gegen alle Figuren, die schwächer, ja verwundbarer sind als sie selbst.

Da ist ganz zu Beginn der Maler, ein eitler Narzisst. Ihn zeichnet Stöppler eher blass. Er ist ein Mann, der sich Lulu als Fixstern in seinem Leben auserkoren hat – eine Rolle, die sie bald langweilt. Lieber macht sie sich weiter unruhig auf die Suche nach Erfüllung in ihrem Leben. Jörn Eichler füllt die Rolle des Malers überzeugend aus, auch wenn sein Tenor manchmal reichlich flackert.

Alwa, Sohn von Dr. Schön, hat es nie gelernt, sich von seinem Vater frei zu machen. Auf Lulu projiziert er die Hoffnung, dies endlich tun zu können. Lulu tritt diese Hoffnung mit Füßen, erniedrigt Alwa, indem sie ihm den Mord an seiner Mutter gesteht – und das ganz beiläufig.

Und die Geschwitz? Die liebt Lulu vorbehaltlos. Aber auch das reicht dieser nicht – und so nimmt sie Gunstbezeugungen allenfalls huldvoll hin.

Elisabeth Stöppler spürt allen Figuren intensiv nach, offenbart ihr Seelenleben. Aber was will Lulu? Ihn – Dr. Schön! Den, der sie „gemacht“, sie geformt hat und in die Beziehungen hineintrieb. Er ist es, den sie zu ihrem Mittelpunkt machen will. Ein Mann, von dem sie stets als Objekt begriffen wurde. Da ist es nur konsequent, dass nicht Jack the Ripper am Ende auftaucht, sondern Dr. Schön, der sie ein letztes Mal nimmt und dann nicht ermordet, sondern wegwirft, wie etwas, das nicht mehr nützlich ist.

Beeindruckend zeichnet Bjørn Waag den Dr. Schön – hart, glasklar und herrisch. Ebenso eindrucksvoll gelingt Artjom Korotkov der Alwa. Er legt in seinen Tenor die ganze Ambivalenz des Charakters. Das gelingt auch Sayaka Shigeshima als Gräfin Geschwitz ganz hervorragend. Samtweich ertönt ihre immerwährende geduldvolle Liebe zu Lulu. Christoph Stegemann hat für die Rolle von Lulus Vater Schigolch die richtige Stimme, das richtige Timbre, wirkt nur optisch viel zu jung.

Pech hatte das Nationaltheater dann noch einmal kurz vor der Premiere, in der Heike Porstein die Titelrolle singen sollte, dann aber erkrankte. So sprang Marisol Montalvo kurzfristig ein. Sie beherrscht die Rolle, lässt aber dennoch Zwischentöne, eine aufgefächerte Dynamik und eine wirklich nuancierte Rollengestaltung etwas vermissen.

Stefan Lano entwickelt mit der Staatskapelle Weimar atemberaubende Klanglandschaften, in jedem Moment voller Spannung, voller Energie und mit Emotionen aufgeladen. Allein dieses Orchester-Ereignis lohnt schon für sich den Weg nach Weimar, Elisabeth Stöpplers Interpretation darüber hinaus.

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