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Die New York Philharmoniker mit Magnus Lindbergs „Kraft“ bei den Dresdner Festspielen
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Musiker in weißen Labormänteln mit Volkswagenlogo eilen hin und her. Im Hintergrund glänzen Limousinen in einer mehrstöckigen Glassäule. Der Komponist springt vom Klavierhocker und schlägt zwei Metallstangen nebeneinander. Das Krachen löst im Orchester eine entsprechende Tonexplosion aus. Der Dirigent, verborgen hinter einer dekorativen Stoßstange, wendet sich ans Publikum und nimmt das Mikrophon, um zischende Laute hineinzusprechen. Gonge krachen von allen Seiten. Im Rahmen einer Residenz bei den Dresdner Festspielen präsentierten die New Yorker Philharmoniker die deutsche Erstaufführung einer neuen Version von Magnus Lindbergs „Kraft“ unter Leitung ihres Chefdirigenten Alan Gilbert. Das Konzert am 14. Mai in der Gläsernen Manufaktur, einem Volkswagenwerk, welches auch als Veranstaltungsort dient, umfasste weiterhin Werke von Christopher Rouse und Leonard Bernstein.

Die neue Fassung von „Kraft“, 1985 in Helsinki uraufgeführt und ein zentrales Werk Lindbergs als Composer-in-Residence 2009-12 beim New York Philharmonic, sei „eines der spannendste Projekte, die die Festspiele je übernommen hat“, so der in New York lebende Intendant und Cellist Jan Vogler in seiner Einführung. Während das Stück 2010 mit Altmetall aus den Schrottplätzen New Yorks aufgeführt wurde, standen diesmal hochwertige Autoteile des VW-Modells Phaeton zu Verfügung. So hängen über den Schlagzeugstand eine Reihe von metallenen Formen, von denen die größte einem Schalldämpfer ähnelt. Lindberg, neben Kaija Saariaho und Esa-Pekka Salonen einer der führenden Figuren der Avantgarde in Skandinavien, ließ sich von der Berliner Punkrockszene der Achtzigerjahren inspirieren, extreme Geräusche in den Konzertsaal zu bringen. Mit seinen ungefähr 30 Minuten Länge ist das Werk auch nicht ohne Humor: ein Solo-Cellist, der im Vordergrund sitzt, kann sich gegen den Lärm kaum durchsetzten. 

Die Musik entfesselt mit ihren dichten, durch den Raum schwirrenden Klangstrukturen eine gewaltige Energie. Die kolossale Gläserne Manufaktur erwies sich zwar nicht als akustisch ideal für feine Geräusche, ermöglichte aber ein hervorragendes Klangdesign (Juhani Liimatainen). Die Bläser- und Streichergruppen wurden auf alle Ecken des Gebäudes verteilt und haargenau von Gilbert koordiniert. Lindberg, der ständig zwischen dem Klavier und einer Reihe von Aktivitäten am Schlagzeug hin- und herwechselte, sowie der Klarinettist Chen Halevi, der unter anderem aufgefordert wurde, einen Golfball ins Klavier fallen zu lassen und Blasen in einer Schüssel Wasser zu blubbern, führten zentrale, theatralische Rollen auf. Das Werk stellte sich im Kontext der Fabrik als eine Art Untersuchung des Aufbaus von Klang schlechthin dar, von zerknitterndem Papier bis zum Bearbeiten der Klaviersaiten. Auch zwei Jahrzehnte nach seiner Uraufführung ist „Kraft“ noch immer aktuell.

Christopher Rouse, derzeitiger „Composer-in-Residence“ bei den Philharmonikern, spielt ähnlich wie Lindberg mit einer Direktheit, die Einflüsse aus der Rockmusik zeigt. Jedoch ist sein „Prospero’s Room“, erst im April uraufgeführt und hier in seiner deutschen Erstaufführung zu hören, in einer Neoromantik verankert, welche in erster Linie an Filmmusik denken lässt. Das Werk illustriert Edgar Allan Poes „The Masque of the Red Death“, eine Kurzgeschichte über einen Maskenball des Prinzen Prospero, veranstaltet, um die Pest abzuwehren. Die Gäste besuchen alle sieben Räume seines Palastes, bis der Rote Tod um Mitternacht den Prinzen besiegt. Rouse erzeugt schon mit einem einleitenden Motiv für Kontrafagott, Tuba und Bassposaune eine enorme Spannung. Unter Streichergrollen schleicht es sich ein wie die Pest selbst. Der Komponist arbeitet auch mit breiten, bildhaften, Pinselstrichen: Auf dem dramatischen Höhepunkt, als die Uhr schlägt, setzt Rouse einen Gong, eine Klangplatte und ein großes Tamtam ein, bevor das Orchester eine kreischende Dissonanz ausstößt. Das Werk fand in den kahlen Wänden und verwinkelten Gängen der Gläsernen Manufaktur eine passende Atmosphäre. Mit Bernsteins Serenade nach Platos „Symposium“ für Solovioline, Streicher, Harfe und Schlagwerk (1954) gelang es den Philharmonikern, als Botschafter für ihre eigene Tradition zu wirken. Kaum eine Einzelperson hat das Orchester so geprägt wie Bernstein in seiner Amtszeit als Chefdirigent von 1957 bis ‘69. Das Werk offenbart nicht nur die intellektuelle Kultiviertheit des Dirigenten und Komponisten, diesseits des Atlantiks eher für die „West Side Story“ denn für seine literarischen Adaptionen bekannt, sondern auch seine Lebenskunst. Die schmelzende, sehnsuchtsvolle Musik zum Beitrag des Gastgebers Agathon wurde vom Violinsolisten Joshua Bell höchst intuitiv ausgeführt, das rasende, perkussive Allegro des dritten Satzes brachten die Philharmoniker energisch auf den Punkt.

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