Hauptbild
Benedikt Eder und Eva Zalenga in Udo Zimmermanns „Weiße Rose“ am Theater Regensburg. Foto: Marie Liebig
Benedikt Eder und Eva Zalenga in Udo Zimmermanns „Weiße Rose“ am Theater Regensburg. Foto: Marie Liebig
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Bedingt überzeugend: Udo Zimmermanns Kammeroper „Weiße Rose“ am Theater Regensburg

Publikationsdatum
Body

In einer Zeit, in der Antisemitismus, Rassismus und rechtes Gedankengut in Wort und Tat wieder in beängstigender Weise um sich greifen, braucht es eigentlich keinen besonderen Anlass, um an die „Weiße Rose“, die Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus zu erinnern. Vor 80 Jahren wurden die Geschwister Scholl, Christoph Probst und weitere Mitglieder nach Prozessen vor dem „Volksgerichtshof“ hingerichtet. Ihrer gedachte das Theater Regensburg nun mit einer Produktion von Udo Zimmermanns Kammeroper „Weiße Rose“.

Der stark religiös geprägte Komponist Udo Zimmermann (1943–2021) hatte sich über viele Jahre intensiv mit der „Weißen Rose“ als Musiktheaterstoff beschäftigt. Einer ersten, noch stark dokumentarisch angelegten Oper (1967/68) ließ er 1986 ein komplett neues, seitdem viel gespieltes Werk in Kammerbesetzung folgen. Auf rund 70 Minuten verdichtet konzentriert es sich ganz auf die Innenperspektive von Sophie und Hans Scholl in ihren letzten Stunden. Beherrscht wird das Stück von deren Gesang (und Sprechen) nach Texten, die Wolfgang Willaschek aus Originalzitaten sowie Lyrik und Prosa unter anderem von Dietrich Bonhoeffer frei montiert hat.

Zu einem zerbrechlichen Kammerrequiem verwoben sind die anspruchsvollen, in ihrer versehrten Tonalität aber durchweg fassbaren Vokallinien mit einem kleinen Instrumentalensemble. In Form brutaler, vom Schlagwerk getriebener Rhythmusimpulse bricht aber auch die tödliche Realität immer wieder in die Erinnerungen und Reflexionen der Häftlinge ein.

Leider finden in der Regensburger Realisierung weder die subtile Durchdringung noch die etwas plakative, aber wirkungsvolle Rhythmuswucht eine akustische Entsprechung. In der in dieser Hinsicht ohnehin problematischen Kammerspielstätte am Haidplatz tönt die unsichtbare Instrumentalgruppe unter der Leitung von John Spencer dumpf und entfernt von rechts in das zusätzlich schallschluckende Bühnenbild herein. Das Miteinander von Gesang und Instrumenten zerfällt in ein präsentes Hier und ein diffuses Dahinten. Entsprechend verpufft auch Sandra Maria Huimanns Idee, die Geschwister zu den rhythmischen Schlägen wie ferngesteuert zucken zu lassen. Die Regisseurin hat sie in einen von Barbara Blaschke gestalteten Raum gesperrt, der von papieren bespannten Stelen und Wänden beherrscht wird. Zwischenzeitlich werden ein von Hans Scholl getipptes Flugblatt und Wandparolen projiziert, wechselnde Lichtfarben (Wanja Ostrower) gliedern die 16 Szenen atmosphärisch.

Das Mit- und Nebeneinander von Hans und Sophie, der Wechsel von innerer Gespanntheit und äußerer Erregung findet in Huimanns Regie eine überzeugende Entsprechung. Durchaus stimmig ist die Ergänzung eines stummen Darstellers (Felix Scharff) als Sophies Verlobter Fritz Hartnagel und als Mithäftling Christoph Probst. Dass dann aber auch der „Blutrichter“ Roland Freisler als Pantomimen-Knallcharge auftritt, ist ein grober Missgriff.

Ergibt die Laterna magica zur 5. Szene, in der die Erinnerung an Kinder aufscheint, die singend in die Todeszüge steigen, noch ein schmerzhaft poetisches Bild, so bewegen sich die wie Papierfetzen regnenden Blütenblätter und die am Ende auf einer schwarzen Stele unversehrt liegende Rose gefährlich nahe am Betroffenheitskitsch.

Die Last der Überzeugungsarbeit liegt in dieser Produktion somit zu einem Großteil auf den beiden darstellerisch gut agierenden Sängern. Dass Benedikt Eders charakterstarker Bariton in hohen Pianolagen leicht brüchig wird, passt zu den Ausnahmezuständen, in denen Hans Scholl sich befindet. Eva Zalenga gestaltet die Wiegenlied-Assoziationen der Sophie-Partie innig berührend und die irrwitzigen Hochton-Passagen mit jener unbeirrbaren, schneidenden Eindringlichkeit, die man der Aufführung insgesamt gewünscht hätte.

Denn auch wenn zu dem schon bei Zimmermann und Willaschek etwas aufgesetzt wirkenden Schlussappell („Nicht schweigen“) die Geschwister heutige Alltagskleidung überstreifen und das Licht im Zuschauerraum angeht, steigt eine Ahnung hoch: Dass nämlich gegenwärtiges Musiktheater mehr leisten könnte und müsste als die mehrheitsfähig aufbereitete Erinnerung an aufrechte Widerständler, die vor 80 Jahren als kleine Minderheit auf verlorenem Posten kämpften. An Anlässen fehlt es nicht.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!