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Bilderbuch für Verliebte anno 1782

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Johann Abraham Peter Schulzes „Fee Urgèle“ in Rheinsberg
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So spielt denn der eine wie der andere Genius Loci eine wichtige Rolle. Zur Wiedereröffnung des Theaters wurde die Oper „Kronprinz Friedrich“ von Kammeroper-Chef Siegfried Matthus uraufgeführt, die die tragische Vorgeschichte erzählt, wie Rheinsberg Kronprinzen-Residenz wurde – zu sehen neuerlich im Juni zu Beginn der 10. Kammeroper-Saison. Und zu Beginn der ersten Oster-Festwoche zur Alten Musik – gefolgt von einer Pfingst-Festwoche zur Neuen Musik mit Uraufführungen – wurde unter der Regie der Musikakademie ein vor 218 Jahren hier uraufgeführtes Werk des Musiktheaters wieder belebt: die Opéra comique „Die Fee Urgèle“ von Johann Abraham Peter Schulz, dessen Todestag sich am 10. Juni zum 200. Mal jährt.

Die Musikakademie Rheinsberg im Land Brandenburg ist die einzige bundesweit, die Aus- und Weiterbildung mit wissenschaftlicher Arbeit und auch noch umfassender künstlerischer, die diese Erkenntnisse umsetzt, verbindet. Denn sie arbeitet an historisch musikträchtigem Orte und verfügt seit Ende vorigen Jahres über das wieder aufgebaute, 1774 entstandene, 1945 kriegszerstörte Schlosstheater des Preußenprinzen Heinrich. Der hatte, wie zuvor schon sein Bruder Friedrich der Große in seiner Kronprinzenzeit, dort einen regelrechten Musenhof unterhalten. So spielt denn der eine wie der andere Genius Loci eine wichtige Rolle. Zur Wiedereröffnung des Theaters wurde die Oper „Kronprinz Friedrich“ von Kammeroper-Chef Siegfried Matthus uraufgeführt, die die tragische Vorgeschichte erzählt, wie Rheinsberg Kronprinzen-Residenz wurde – zu sehen neuerlich im Juni zu Beginn der 10. Kammeroper-Saison. Und zu Beginn der ersten Oster-Festwoche zur Alten Musik – gefolgt von einer Pfingst-Festwoche zur Neuen Musik mit Uraufführungen – wurde unter der Regie der Musikakademie ein vor 218 Jahren hier uraufgeführtes Werk des Musiktheaters wieder belebt: die Opéra comique „Die Fee Urgèle“ von Johann Abraham Peter Schulz, dessen Todestag sich am 10. Juni zum 200. Mal jährt. Er war von 1780 bis 1787 Hofkapellmeister in Rheinsberg, ehe er in gleicher Funktion ans Königliche Theater nach Kopenhagen ging. Zwei Opern hat er in Rheinsberg geschrieben, drei in Kopenhagen. Bekannt geblieben aber sind – dies freilich, ohne in der Regel den Urheber zu kennen, im Bewusstsein fast jedes Deutschen – zwei Lieder aus einem umfangreichen einschlägigen Schaffen: „Der Mond ist aufgegangen“ und „Ihr Kinderlein, kommet“.

Der junge Regisseur Matthias Schönfeldt lässt die Märchenhandlung der „Fee Urgèle“ nach mittelalterlichen Quellen in der Jetztzeit, in einem Mädcheninternat, beginnen. Und zunächst wird vom Chor (Schülerinnen eines Gymnasiums in Neuruppin, ergänzt durch Rheinsbergerinnen) „Der Mond ist aufgegangen“ gesummt, ehe es dann wirklich in die Original-Partitur geht. Die war so leicht nicht wiederherzustellen. Verschiedene Archiv-Funde in Berlin – auch dort war eine Aufführung im Nationaltheater am Gendarmenmarkt gefolgt, und zwar im Gegensatz zur französischsprachigen Uraufführung deutsch – und in Kopenhagen, Ort der dritten Inszenierung im 18. Jahrhundert, mussten mühevoll zusammengefügt werden (musikalische Einrichtung Thomas Kauba, Musikwissenschaft-Doktorand in Leipzig; deutsche Fassung der Arien und Bearbeitung der Dialoge von Charles Simon Favart, nach Voltaire: Dramaturgin Andrea Vilter).

Der Hofmeister Musikverlag Leipzig will die Partitur drucken, um Aufführungen auch an anderen Bühnen möglich zu machen. (Eine verkürzende „Fee“-Inszenierung hatte es Ende der 80er in der Deutschen Staatsoper Berlin durch die Musikhochschule Ost „Hanns Eisler“ gegeben.)

Pausenlos wurde bei der jetzigen Rheinsberger Wiederentdeckung knapp zwei Stunden gespielt. Farbig ist eine lange Ouvertüre. Einzelne Musiknummern heben sich besonders aus dem stark singspielhaften Werk heraus, so eine Buffonummer vom Traben der Pferde in der Baritonpartie des Ritter-Freundes La Hire (Matthias Jahrmärker), ein Zwischenspiel im Stile der Janitscharenmusik, lyrische Arien der Titelgestalt (Jeanne Pascale Schulze) und eine furiose Koloraturarie der Königin (Heike Porstein).

Auf 14 Tage konnte die Musikakademie das Ensemble Resonanz mit 28 Musiker/-innen gewinnen. (Mehr passen nicht in den Orchestergraben.) Bis auf die Naturhörner (mit kleinen Intonationsproblemen zu Beginn der Premiere) und den Einsatz eines Hammerflügels wird heutiges Instrumentarium verwendet, aber auf der Höhe der Erkenntnisse eines Harnoncourt. Mit Roland Kluttig steht ein junger Dirigent zur Verfügung, der zwar 1991 mit der „Hochzeit des Figaro“ bei den Dresdner Musikfestspielen debütierte, aber sonst im wesentlichen auf dem Feld der Neuen Musik arbeitet, nicht selten auch mit dem Ensemble Resonanz. Diese Erfahrung kommt dieser lohnenden „Ausgrabung“ zugute.

 

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