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Nach dem Konzert. Foto: Manfred Zapf
Nach dem Konzert. Foto: Michael Zapf
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Demokratischer Geist, in Musik übersetzt – Rauschhafte Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie

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Elbphilharmonie in Hamburg mit Verspätung eröffnet: Diese Überschrift dürfte nach der epischen Baugeschichte niemanden wundern. Tatsächlich aber war am langersehnten Tag selbst das Protokoll kaum mehr als eine halbe Stunde im Verzuge – Bundespräsident und Bundeskanzlerin steckten im Berliner Schneetreiben fest, tuschelte es.

Doch auch wenn Gauck, als er angekommen war, in seiner gutgelaunten Ansprache die Politik mahnte, die Querelen und Fehler der Vergangenheit nicht zu vergessen: Im Hause selbst gilt’s ab jetzt der Musik. Das machten Thomas Hengelbrock und das NDR Elbphilharmonie Orchester gleich mit dem ersten Ton klar, denn der Festakt begann nicht mit Worten, sondern mit Klängen.

Ein knapper Akkord nur, von der Pauke grundiert, leitete Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre ein. Und schon die Klarheit und Räumlichkeit dieses einen Forte-Schlages ließen staunen darüber, was der Große Saal der Elbphilharmonie kann. Beethoven, Mendelssohn (mit der Ouvertüre zu „Ruy Blas“) und der letzte Satz aus der Zweiten Brahms beglaubigten, was der Erste Bürgermeister Olaf Scholz, der Architekt Jacques Herzog und der Generalintendant des Hauses, Christoph Lieben-Seutter, in ihren Ansprachen beschworen: den demokratischen Geist eines Hauses, den sich eine Stadt selbst erkämpft hat, eines Saales, in dem durch die Weinbergstruktur das Publikum nicht nur nah am Bühnengeschehen ist, sondern die Hörer auch einander sehen. Es war womöglich diese Gemeinschaftserfahrung, die schon den Festakt zu einem ergreifenden Moment werden ließ.

Und das eigentliche Eröffnungskonzert sowieso. Hengelbrock hatte sich dafür ein Pasticcio der besonderen Art ausgedacht. Unter dem beziehungsreichen Motto „Zum Raum wird hier die Zeit“ schlug das Programm einen Bogen von der Renaissance bis in die Gegenwart und zurück und unterlief dabei immer wieder die Erwartungen. Den Anfang machte kein pompöses Jubelwerk, sondern eine einsame Oboe hoch oben in den Rängen: der Solooboist Kalev Kuljus mit Brittens „Pan“. Daran schloss sich Dutilleux’ Orchesterwerk „Mystère de l’instant“ an. Der Countertenor Philippe Jaroussky erging sich in delikaten Melismen und Ornamenten frühbarocker italienischer Arien, begleitet von der Harfenistin Margret Köll, von einem der Balkone erklang eine Motette von Jacob Praetorius aus dem Jahre 1606. Im Wechsel damit spielte das Orchester auf der Bühne so riesig besetzte Werke wie Bernd Alois Zimmermanns „Photoptosis“ oder einen Satz aus der „Turangalîla“-Sinfonie von Messiaen und tobte durch das herrlich plakative „Furioso“ von Rolf Liebermann, der als Opernintendant Hamburger Musikgeschichte geschrieben hat.

Lichtregie und Hengelbrocks Gestik sorgten dafür, dass niemand auch nur auf die Idee kam, zwischen diesen so Werken zu applaudieren. Es sind auch solche Details, die eine Häppchengala von einem anspruchsvoll disparaten Programm unterscheiden. Im Saal ging das Konzept voll auf. Die Menschen waren spürbar hingerissen von der Lebendigkeit des Abends.

Akustik ist ja etwas, das sich der Hörer in aller Regel nicht bewusst macht, sie wirkt unmittelbar vegetativ. Wie warm der Saal klingt, wie durchhörbar und deutlich selbst das kleinste Detail zu hören ist, das war schier überwältigend zu erleben. Das galt für das doch so unhanseatische, in Hamburg aber leider trotzdem übliche unbekümmerte Husten und Räuspern. Vor allem aber galt es und gilt fortan für das NDR Elbphilharmonie Orchester als Residenzorchester und sowieso für jedes Orchester, das dort künftig konzertiert: So freundlich und umfangend der Saal wirkt, er quittiert eben auch jeden Fehler, jede Dysbalance. Die wackeligen Einsätze und die Intonationstrübungen im Blech im Vorspiel zu Wagners mottogebendem „Parsifal“ waren genausogut zu hören wie die feinen, wohlgeformten pianissimi, mit denen Hengelbrock und die Seinen das Publikum immer wieder verblüfften.

Der Abend war aber nicht nur eine Reise durch die Jahrhunderte, nicht nur Raumerkundung. Inhaltlich schritt er die großen Lebensthemen ab, die Liebe natürlich und immer wieder den Tod. Fast unmerklich ging das „Parsifal“-Vorspiel in die Uraufführung von Wolfgang Rihms „Reminiszenz. Triptychon und Spruch in memoriam Hans Henny Jahnn“ auf über. Die Tenorpartie hätte Jonas Kaufmann singen sollen, der kurzfristig ausfiel. An seiner statt sang Pavol Breslik mit hellem, leichtem Timbre die fast romantisch-bildhaften Texte von Jahnn, Huchel und Walter Muschg. Eine vielgestaltige, überaus fein instrumentierte, sinnliche Musik hat Rihm geschrieben, gut hörbar und gar nicht abstrakt, wie Neue Musik doch so oft wahrgenommen wird. Ob sich das den Vielen, die nur über Radio und Fernseher dabei waren, auch so erschloss, ist freilich eine andere Frage [tat es, Anm. des Redakteurs].

Die Musiker stehen erst am Anfang ihrer Beziehung mit dem Saal. Das mag erklären, dass die Bassgruppe mitunter noch etwas wolkig im Klang wirkte. Die Sängersolisten wiederum – allesamt hervorragend, angefangen bei Hanna-Elisabeth Müller, die erst am selben Tag für die erkrankte Camilla Tilling eingesprungen war, die ihrerseits für Anja Harteros übernommen hatte – waren im letzten Satz von Beethovens Neunter, wenn sie mit dem Tutti sangen, nicht ganz deutlich zu verstehen.

„Seid umschlungen, Millionen“, jubelten der NDR Chor und der Chor des Bayerischen Rundfunks am Ende der Sinfonie. Wer hätte da nicht an das strapazierte Hamburger Finanzbudget gedacht? Aber nur ganz kurz. An diesem Abend stoben wirklich die Götterfunken der Freude.

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