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Jonathan Nott und die Bamberger Sinfoniker. Foto: Priska Ketterer / Lucerne Festival
Jonathan Nott und die Bamberger Sinfoniker. Foto: Priska Ketterer / Lucerne Festival
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Der Ring konzertant – eine Konzentration aufs Wesentliche – Die Bamberger unter Jonathan Nott beim Lucerne Festival

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Im Jubiläumsjahr 2013 feiert die Musikwelt nicht nur die Komponisten Verdi, Wagner oder Britten; vielmehr gilt es auch den Anfängen des bedeutendsten Schweizer Musikfestivals zu gedenken, das vor 75 Jahren das Licht der Welt erblickte. Es waren stürmische Zeiten damals, als Arturo Toscanini nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Schatten der Wagnerschen Triebschen Idylle seinen demokratischen Gegenentwurf zur diktatorischen Musikszene Deutschlands, sein Anti-Bayreuth aus der Taufe hob.

Mit der Aufführung des Siegfried Idylls am 25. August 1938 schlägt die Geburtsstunde des Lucerne Festival, das sich bis zum heutigen Zeitpunkt zu einem starken Musik- und Wirtschaftsfaktor der Region, ja der ganzen Schweiz entwickelt hat. Mit einem Jahresbudget von (2012) 25,9 Mio CHF, das zu über 90% aus eigenen und privaten Mitteln erwirtschaftet wird, gelingt es dem seit 1998 verantwortlichen Intendanten Michael Haefliger, in 90 Konzerten über 100.00 Besucher anzulocken.

Im Jubiläumsjahr war nun besonders geplant. Das Festival, das sich seit Anfang im Wesentlichen auf Solisten- und Orchesterkonzerte beschränkt musste, sollte im Wagnerjahr seinen eigenen Ring erhalten, wenngleich in konzertanter Form. Da traf es sich gut, dass an der Spitze der Bamberger Symphoniker mit Jonathan Nott ein Dirigent steht, den lange Bühnenerfahrung auszeichnet und der mit seinem Orchester – bis auf die Götterdämmerung – die ersten drei Teile des Rings bereits anderweitig gestemmt hatte.

Nach Barenboim bei den diesjährigen PROMS nun also der zweite Auftritt eines deutschen Orchesters im europäischen Ausland mit Wagner Tetralogie. Luzern birgt ideale Voraussetzung für klangliche Ausdifferenzierung, gilt doch der 1998. erbaute Konzertsaal mit seiner raffinierten Akustik als eines der architektonisch-musikalischen Glanzstücke des späten 20. Jahrhunderts.

Konzertante Aufführungen von Opern, halbszenisch gestellt, sind eine besondere Herausforderung für alle Beteiligten, lenkt doch nichts vom Gehalt und der Wirkung der musikalischen Wiedergabe ab. Kein Umbaugeräusch stört das Piano und die offene Bühne begünstigt und fordert  Musiker und Sänger.

Im Siegfried hatten freilich alle Beteiligten mit Belastungen und Indispositionen zu kämpfen. Torsten Kerl (Siegfried) konnte seine Partie erst nach einer verabreichten Kortisonspritze weiter singen, und diese Unsicherheiten wirkten sich auch auf die übrigen Protagonisten aus, von denen vor allem Albert Dohmen (Wanderer) mit seinem unprätentiösen, hellen Bass überzeugte. Dass der Abend dennoch gelang, verdankt sich dem musikalischen Konzept Jonathan Notts, der den Siegfried als wirkliches Scherzo kammermusikalisch ausgewogen  dirigierte und dabei die Sänger mit dem riesigen Orchesterapparat niemals überdeckte.

Zur Götterdämmerung war dann Ersatz gefunden: kurzfristig konnte Andreas Schager verpflichtet werden, der bereits beim Ludwigshafener Ring als Entdeckung gefeiert wurde. Dieser jugendliche Sängertyp riss übertrug seine überbordende Spielfreude auf das gesamte Ensemble. Mühelos bewältigte er die Riesenpartie des Siegfried und auch ein kleiner gedanklicher Aussetzer am Ende der gut sechsstündigen Aufführung ließen keinen Zweifel aufkommen, dass Schager der Wagner Tenor der Zukunft ist. Kongenial begleitet wurde er von Petra Lang (Brünhilde), Elisabeth Kulmann (Waltraute) und Mikhail Petrenko, der seinen Hagen stimmlich schlank geführt, jugendliche Kaltblütigkeit verlieh

Die Bamberger zeigten im Schlussstück der Tetralogie, was in ihnen steckt, was unter der Stabführung von Nott auf die Bühne gebracht werden kann. Dieses ehemals aus Prag ins oberfränkische Bamberg gezogene Orchester pries sich im schweizerischen Luzern damit eigentlich als natürlicher Begleiter der Bayreuther Festspiele an. Im Ausland gelang diesem Klangkörper, was im eigenen Land häufig so schwierig ist: objektive Aufmerksamkeit von Publikum und Öffentlichkeit. Nach atemberaubenden, fast fünf Stunden Musik herrschte am Ende schweigende Ergriffenheit des Publikums, die sich in glückseligen Jubel für diese musikalische Sternstunde verwandelte.

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