Im Berliner Bode-Museum erwartet die Besucher in diesen Tagen ein doppelter Kunstgenuss. Zwischen den kostbaren Skulpturen können sie wunderschönen Arien lauschen. Denn derzeit laufen dort die Proben für Haydns Oper «Orpheus und Eurydike», welche am Freitag (14. November) Premiere feiern wird. Der Komponist Joseph Haydn (1732-1809) schuf mit dieser Tragödie 1791 sein letztes Bühnenwerk während seines Londoner Aufenthaltes. Uraufgeführt wurde die Oper jedoch erst 1951 in Florenz mit Maria Callas.
Nach Mozarts «Appolo und Hyacinth» ist das bereits die zweite Oper, die Regisseur Christoph Hagel im imposanten Ambiente des Museums inszeniert. Mit dem Werk, das Mozart im Alter von zwölf Jahren als sein erstes komponierte, hatte Hagel 2006 zur Wiedereröffnung des Bode-Museum einen großen Erfolg gefeiert.
Aus 18 geplanten Vorstellungen wurden wegen der großen Nachfrage 40. Wie schon vor zwei Jahren wurde nun wiederum in der italienischen Basilika des wilhelminischen Neobarock-Baus ein 16 Meter langer und zwei Meter breiter Laufsteg aufgebaut. Darauf werden sechs Sänger und fünf Tänzer die Oper in klassischer Form mit zeitgenössischen Elementen darbieten - begleitet von den Berliner Symphonikern. «Wegen der Akustik wurde die Basilika bereits mit einem Teppich ausgelegt», erläutert Hagel. Dieses Mal stehe zudem ein fast drei Meter hoher Olivenbaum auf dem «Bühnen-Laufsteg» - als Zeichen für das Leben. Außerdem sei eine lebende, zweieinhalb Meter lange Pythonschlange mit von der Opernpartie. Sie schlängele sich in der sogenannten Bissszene um Eurydike. Auf der Probe war allerdings noch ein Plüschtier im Einsatz.
Für ihn sei die Oper «ein einziger Konflikt zwischen Liebe und Tod», sagt Hagel. Deshalb habe er dem Tod anders als Haydn mehr Platz eingeräumt und ihn mit Tanz und Sprache inszeniert. Er komme nicht alt und gebrochen, sondern jung und dynamisch daher. Der Franzose Manu Laude tanze den Tod kraftvoll und gnadenlos. «Der Tod bietet Akrobatik und schlägt sogar Salto», kündigt Hagel an.
Die Oper beginnt für die Zuschauer in der Kuppelhalle des Bode-Museums. Dort wird das Paradies in Form einer Lichtprojektion entstehen, aus dem Amor die grandiose Treppe der Halle hinunter schreitet. Schon dort attackiert ihn der Tod aus dem Hintergrund. Dann werden die 300 Zuschauer in die Basilika geleitet und nehmen rechts und links am Laufsteg Platz. Sänger und Tänzer tragen schlichte weiße Gewänder wie im alten Griechenland.
Die Form der Basilika ist mit ihren seitlichen Nischen und der tonnengewölbten Decke venezianischen Saalkirchen mit Seitenkapellen nachempfunden. Somit können Altäre und Bilder der Renaissance in ihrer eigentlichen Umgebung gezeigt werden - ein Prinzip des Museumsgründers Wilhelm von Bode. Zwei der Altäre werden in die Oper einbezogen - natürlich ohne die unwiederbringlichen Kostbarkeiten zu berühren.
Hagel ist in Berlin bereits für spektakuläre Inszenierungen an ungewöhnlichen Orten bekannt. Erst im Sommer war er sogar in den Untergrund gegangen. Dort inszenierte er im fertiggestellten, aber noch nicht in Betrieb genommenen U-Bahnhof Bundestag Mozarts Oper «Die Zauberflöte». Bereits vor zehn Jahren sahen fast 60 000 Zuschauer den von ihm produzierten «Zirkus um Zauberflöte» in der Inszenierung von George Tabori im Zirkus Roncalli.