Der Bundeswettbewerb Komposition wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Zur Jubiläumsfeier gab es am Sonntag, den 22. August, im Gewehrhaus des Weikersheimer Schlosses 43 Mal eine Minute als Geschenk: Ehemalige Preisträger und Dozenten hatten den Organisatoren „Minutengrüße“ als Zeichen der Verbundenheit geschickt. Aufgeführt wurden sie vom Ensemble „EST! EST! EST!“, das viele Jahre ausführendes Ensemble bei den Workshops in Weikersheim war und sich für den Festakt noch einmal zusammenfand.
Seit 25 Jahren entdeckt und fördert die „Jeunesses Musicales Deutschland“ Talente, die „Musik im Kopf haben“. Der Wettbewerb wird von der JMD in Verbindung mit dem Bundes-Bildungsministerium durchgeführt – dass ausgerechnet das Ministerium bei der Feierstunde sich entschuldigen ließ, wurde mit einigem Befremden zur Kenntnis genommen. Die von einer Jury ausgewählten Teilnehmer erhalten bei einwöchigen Workshops in Weikersheim die Möglichkeit zum kreativen Austausch mit Dozenten und Gleichgesinnten, eine intensive individuelle Förderung und die Chance, „ihrer eigenen musikalischen Fantasie nachzuspüren“, wie Theo Brandmüller, Professor in Saarbrücken und Dozent der ersten Stunde, in Weikersheim feststellte.
Der eigentliche Preis des Wettbewerbs ist die Präsentation der bei den Workshops ausgearbeiteten Kompositionen, gespielt von einem professionellen Ensemble, auf CD eingespielt und beim Abschlusskonzert uraufgeführt.
Einige Preisträger haben sich seither in der zeitgenössischen Musik einen Namen gemacht, darunter Benjamin Schweitzer, der unter anderem mit seiner Kammeroper „Jakob von Gunten“ (nach Robert Walser) bekannt wurde. Schweitzer hielt bei der Jubiläumsfeier auch die Festrede und trug mit dem „Weikersheimer Wirbel“, einer Minuten-Komposition für Schlagzeug, zum Programm bei.
„Die Akzeptanz der stilistischen Vielfalt war für uns immer grundlegend“, erklärte Martin Christoph Redel, Professor in Detmold, Ehrenpräsident der JMD und einer der Väter des Wettbewerbs. Redel hatte im Frühjahr 1986 die erste Kompositionswerkstatt abgehalten.
Aus dem Blickwinkel des „Ehemaligen“ erläuterte Benjamin Schweitzer die Bedeutung von Weikersheim für die Entwicklung eines angehenden Komponisten. „Ich habe hier in einer Woche mehr gelernt, erfahren und erlebt, als sonst in Monaten“, sagte Schweitzer. Für junge Komponisten gebe es ansonsten kaum Gelegenheit zum kreativen Austausch. „Für mich war Weikersheim der erste Ort, an dem ich ernst genommen wurde“, blickte er zurück. Weikersheim sei Teil des Netzwerkes von Begabtenförderung – „auch Komponisten müssen gefördert werden“.
Schließlich vertrat Schweitzer die Meinung, dass die Komponisten den „Treibstoff“ für die weltweit einmalige Musik- und Konzertszene in Deutschland lieferten.
Mehr als Worte sagte allerdings die Uraufführung von 43 Musik-Miniaturen etwas über die Bedeutung von Weikersheim aus. Die Kompositionen hießen teilweise ganz reduktionistisch „Minuten-Gruß“ oder „Weikersheim-Gruß“, sie hatten aber auch programmatische Titel wie „Martin und Theo beim Wein“ (Cord Meijering), „Fluff for five Instruments“ (Claus Kühnl) oder „Pfundig! Riesig! Auf geht’s, Buam!“ (Uwe Kohls), ein bayerischer Ländler inmitten meist weit jenseits der Grenzen der Tonalität und des herkömmlichen Klangspektrums befindlicher Kompositionen.
Bei Nummer 43 unterstützte Theo Brandmüller in der Komposition „(M)eine ,serielle‘ 60 Sek.-Stunde“ die Musiker des Ensembles „EST! EST! EST!“ mit Rap-artigem Vortrag von Reimen über Weikersheim und seine Kompositions-Werkstatt.
Überhaupt war die „Minute“ eine sehr subjektive Zeitangabe: Johannes Fischer definierte sie als Zeit, in der ein Streichholz niederbrennt (was, gefühlt, um einiges länger ist als die physikalische Einheit „Minute“), während Paul Frick mit seinem hochvirtuosen „Minutengruß für Weikersheim“ (für Viola und Klavier) schon nach einer halben Minute fertig war.