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Don Giovanni Nuernberg (c) Bettina Stoess

Corinna Scheurle als Donna Elvira im Nürnberger „Don Giovanni“, zusammen mit Samuel Hasselhorn als Giovanni (links) und Wonyong Kang als Leporello (rechts). Foto: Staatstheater Nürnberg / Bettina Stoess

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Die Ambivalenz des Begehrens: „Don Giovanni“ am Staatstheater Nürnberg

Vorspann / Teaser

Mit Donna Elviras Auftritt kommt die gelungene neue Nürnberger „Don Giovanni“-Produktion so richtig in Fahrt. Beispielhaft zeigt Regisseurin Vera Nemirova an ihr die Ambivalenz von Anziehung und Abstoßung, die sie, die wir alle mit dem ebenso aus der Zeit gefallenen wie zeitlosen Verführer verbinden. 

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Corinna Scheurle macht aus der von ihm Verstoßenen zunächst eine vor allem darstellerisch, bald aber auch vokal eindringliche Charakterstudie. Sie verachtet ihn, kann aber doch nicht von ihm lassen. Als Leporello (kernig-präsent: Wonyong Kang) ihr die mit Giovannis zahllosen Eroberungen bedruckte Klorolle präsentiert, schwankt sie zwischen überdrehtem Gelächter und Verzweiflung.

Auch Donna Anna (Julia Grüter mit exquisitem Mozart-Gesang) hat sich dem gewalttätigen (Alp)Traummann in der ersten Szene durchaus bewusst hingegeben und muss dem edlen Don Ottavio (beachtlich: Sergei Nikolaev) im weiteren Verlauf so einiges vorflunkern. Giovannis Mantel hebt sie in einem unbeobachteten Moment auf, um sehnsüchtig daran zu riechen…

Kraft und Schmelz in der Stimme vereinend gibt Samuel Hasselhorn den Giovanni mit gleichermaßen gefährlichem wie entwaffnendem Charme. Seine Oberhemden steckt er sich gar nicht erst richtig in die Hose, weil er sie sich (oder eine Frau sie ihm) ohnehin gleich wieder vom Leib reißt. Nachdem das Brautpaar Zerlina-Masetto einen aus dem Ruder laufenden Swinger-Club-Abend auf Giovannis Anwesen hinter sich gebracht hat, entwickelt Andromahi Raptis als Zerlina die „Batti, batti“-Arie – auch vokal wunderbar changierend – von einer Unterwerfungs- zu einer Domina-Fantasie. Demian Matushevskyi bildet bei seinen Soli einen sängerisch ebenbürtigen Gegenpart.

Jens Kilians funktionales Bühnenbild aus beweglichen schwarzen Elementen und goldenen Türen bietet genügend Variabilität, um wechselnde Szenerien anzudeuten. In der von den Gästen verlassenen Aussegnungshalle hat der Komtur seinen effektvollen Geisterauftritt, Taras Konoshchenko ist dabei eine wahre Bassbedrohung. Die aufgetürmten Särge, vor denen Giovanni den von ihm gemeuchelten Commendatore zum Gastmahl lädt, verwandeln sich bei seiner Höllenfahrt in einen Scheiterhaufen.

Die mit Tempo, Witz und doppeltem Boden gut funktionierende Inszenierung lebt musikalisch von den über die guten Einzelleistungen noch hinauswachsenden Ensembles. Die Balance in den verschiedenen Stimmkonstellationen ist genau austariert, ein gemeinsames dramatisches Gestalten stellt sich ein. Animiert und zusammengehalten wird es von GMD Roland Böer, der nicht nur die knackig die historische Aufführungspaxis im Hinterkopf haltende Staatsphilharmonie und den gut präparierten Chor anspornt, sondern auch die Rezitative vom Hammerflügel aus auf Zug hält. Das Mitatmen des Orchesters mit den Sängern funktioniert anfangs noch nicht durchweg optimal, mit zunehmender Spieldauer rundet sich aber auch dies. Berechtigter Jubel für einen wunderbaren Mozart-Abend, dessen augenzwinkerndes Finalbild nicht verraten sei.

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