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Richard Strauss im Jahr 1888.
Richard Strauss im Jahr 1888.
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Die Liebe ist ein sonderbar Ding… – „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss am Theater Meiningen

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Es muss durchaus nicht immer Dresden sein im Richard Strauss-Jahr 2014. Etwas bescheidener dimensioniert, aber ebenso von der entsprechenden historischen Aura umweht, wie das Uraufführungstheater, ist Meiningen jetzt mit seiner Geburtstags-Rose für den bajuwarischen Meister des blühenden Orchesters und der ins zwanzigste Jahrhundert verlängerten Spätromantik angetreten.

GMD Philippe Bach am Pult seiner Hofkapelle auf hörbar vertrautem Terrain und Rudolf Frey als Regisseur mit Sinn für die feingewobene innere Balance dieses Meisterwerkes haben einen melancholisch leuchtenden, opulenten, aber zugleich klug hinterfragenden „Rosenkavalier“ zustande gebracht.

Der landet am Ende zwar in der unmittelbaren Gegenwart, ja sogar, gut selbstreferenziell, in einer Probensituation zu dem Stück, das gerade zu Ende geht. Und die jugendlich strahlende Elif Aytekin (Sophie) und die mit schön timbrierter, hinreißender Eloquenz als Octavian an ihrer Seite angekommene Carolina Krogius verlassen frohgemut mit der Partitur unterm Arm einen Probenraum. Doch der Mohammend, der hinterm Klavier eingenickt war, trägt ihnen ein sorgfältig gefaltetes Tuch hinterher bevor der Vorhang fällt. Dieses Changieren zwischen der puren Lust am Erzählen und dem Reflektieren über das Stück durchzieht den ganzen Abend. Und das geht in Ordnung. Es ist Teil des zum Bild gewordenen Nachdenkens über die Zeit, die Liebe und ihr Vergehen.

Christian Rinke hat Saalwände mit riesigen Türen und Fenstern auf die Drehbühne gestellt, die gerade renoviert werden. Türflügel sind ausgehängt, eine Leiter steht herum, das altmodische Telefon mit Wählscheibe ist auf dem Kaminsims abgestellt. Wie nach einem Zeitsprung übergibt Octavian seine Rose dann in einem Großraum-Kontor, in dem die Schreibmaschinen klappern und die Post herumgetragen wird. Oder die Damen sich um den Volksempfänger versammeln, während sich der Ochs verwöhnen lässt, nachdem er angeblich schwer verletzt wurde. Stimmt aber nicht ganz, denn der Schlawiner war es selbst. Im Beisl schließlich sitzt man an Biergartenbänken und das Ganze sieht nach heutiger Kneipenwirklichkeit aus. Diese angedeutete Zeitreise steht für die Vergänglichkeit der Zeit, aber auch zugleich für das Entschwinden der eigenen Jugend der Marschallin.

Solche szenischen Zugriffe können gerade beim „Rosenkavalier“ leicht ins Auge gehen. Was Hofmannsthal und Strauss da nämlich 1911 in Dresden auf ihren blutrünstigen Elektra-Thriller folgen ließen, ist ein Stück erfundenes Maria-Theresia-Wien, das sich nur an eine selbst erfundene historische Wirklichkeit hält. Folglich der selbst gesetzten inneren Logik genügen muss. Es ist eine Kunstwelt mit Kunstsprache und mit erfundenen Ritualen. Vor allem die Überreichung einer silbernen Rose durch einen Brautwerber im Hause der Braut, ist so eine poetische Erfindung Hofmannsthals.

In der Titelrolle muss eine Mezzosopranistin den 17jährigen Liebhaber der doppelt so alten Fürstin glaubwürdig darstellen, und in dieser Rolle gleich noch zweimal als Kammerzofe einem ziemlich übergriffigen Landedelmann kirre machen. Es muss das Ende einer Liebesnacht genauso überzeugend über die Bühne gehen wie der Skandal um den missglückten Ehebund im Hause eines neureichen Wieners, um schließlich in einem urigen Beisl eine turbulente Maskerade zu entfesseln, die alles zu einem guten Ende zusammen bringt. All das gelingt in diesem „Rosenkavalier“ ohne Furcht vor dem hinzugefügten Hintersinn, oder dem kleinen Gag am Rande. Aber auch ohne jene ambitionierte Mutwilligkeit, die die elegante Geschichte beschädigen würde.

Es spricht für sich, dass ein Theater wie Meiningen einen „Rosenkavalier“ in dieser Qualität in allen wichtigen Partien überzeugend besetzten kann. Neben dem jungen Paar, das am Ende Hand in Hand ins Leben geht, ist da natürlich die Feldmarschallin, deren Verzicht auf den jungen Geliebten im Zentrum steht und deren Reflektieren über die Zeit, dieses sonderbar Ding, zum Lebensklügsten gehört, was auf Opernbühnen dazu gesagt wird. Die attraktiv lebensnahe Camila Ribero-Souza steht vor allem im großen Terzett, das in aller Ruhe über die Rampe flutet, ihre Frau. Für ihren Schlussauftritt ist sie herausgeputzt, als wäre sie die kleine Schwester von Catherine Deneuve. Ernst Garstenauer braucht etwas, um in Fahrt zu kommen, doch am Ende kann man ihm nicht wirklich böse sein. Dae-Hee Shin macht schließlich aus seinem Faninal einen Mann, der durch eigenen Verdienst zu Reichtum gekommen ist und die Anheiratung eines Titels gar nicht nötig hätte. Am Ende: Beifall für alle Beteiligten. Und das ganz zu Recht.

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