Der österreichische Operettenkomponist Nico Dostal (1895 bis 1981) ist durch Barrie Koskys große „Clivia“ Show an der Komischen Oper mit ziemlichem Aplomb wieder ins Visier der Operettenfreunde geraten. Jetzt hat die MuKo (Musikalische Komödie) in Leipzig seine „Prinzessin Nofretete“ ausgegraben. Mit „Cliva" war 1933 sein internationaler Durchbruch verbunden. Mit der 1936 etwas abseits der Operettenmetropole Berlin in Köln uraufgeführten „Prinzessin Nofretete“ ließ sich eine Leerstelle überbrücken, die die Nazis mit ihrem Rassenwahn unter den oft jüdisch-deutschen Komponisten für Novitäten der Leichten Muse zu verantworten haben.
In Leipzig wird die Ausgrabung für Regisseurin Franziska Severin zur Vorlage für eine Kreuzfahrt auf dem Nil bzw. in alle Klischee-Täler, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt haben. Und für die der berühmte Kopf der Hauptgattin von Pharao Echnaton, Nofretete, steht. Die gehört längst selbst zu den berühmten Berlinerinnen und steht zugleich exemplarisch für alle Schönheiten des alten Ägyptens.
Die heute unbekannte Musik von Dostal ist auf eine Art und Weise perfekt, dass sie einem gleichwohl bekannt vorkommt. Sie spielt mit allen Einflüssen der Zeit. Und hat doch ihr eigenes Tempo und ihren originellen Witz. Der auch dann höchst spielerisch funktioniert, wenn gesprochen wird. Es gibt alles – von exotischen Zwischenspielen und Couplets, über sentimentale Schlager, walzernde Tanzeinlagen, ja sogar Marschrhythmen, die man sich auch in der Wochenschau von damals hätte vorstellen können.
Der Plot ist filmreif und verbindet eine touristische Exkursion an den Nil zu den Archäologen an den Pharaonen-Gräbern mit einer erfundenen Lovestory aus dem alten Ägypten. Dafür haben Frank Schmutzler (Bühne) und Sven Bindseil (Kostüme) eine wahre Ausstattungsorgie entfesselt. Schon im Foyer gibt’s Prospekte von Nil-Reisen von anno dazumal, Fotos von Ausgräbern. Das gesamte Hauspersonal hat Reiseleiter-Mützen auf. Im Saal flankieren große ägyptische Statuen das Bühnenportal. Und der erste Rang ist mit einem altägyptischen Hieroglyphen-Fries tapeziert. Etliche Sarkophage stehen herum. Der erste, der „Gegenwartsteil“ wirkt cineastisch vom „Tod auf dem Nil“ inspiriert; der zweite wie vom „Fluch des Pharao“. Der Clou ist der Wechsel zwischen beiden Welten. Da wird der Zuschauerraum mit seinem Tonnengewölbe zur Grabkammer über dessen Decke Riesenkäfer krabbeln.
Milko Milev ist mit komödiantischen Charisma sowohl der Chefausgräber Lord J. Callagan als auch der Pharao Rhampsinit. Lilli Wünscher ist mit Eleganz dessen Tochter Claudia hier und Prinzessin Nofretete dort. Und (der stimmlich etwas enge) Radoslaw Rydlewski der Wunschpartner Dr. Hjalmar Eklind bzw. der Offizier Amar. Das zweite Paar im Stück besteht aus der frisch beweglichen Nora Lentner als Pollie Miller bzw. Teje und Jeffry Krueger als Totty Tottenham und Prinz Thotope. Wunderbar ist Angela Mehling als dessen Tante Quendolin.
Die Handlung kommt in Schwung, weil dieser junge Mann als reicher Erbe eine andere reiche Erbin heiraten soll, weil die entsprechenden Familien das so beschlossen haben, aber beide andere Partner präferieren. Dass das Ganze auf ein Happyend mit den jeweiligen Wunschpartnern zusteuert, ist schnell klar. Der Weg dort hin ist so mit Witz und Ironie gepflastert, dass es durchweg Spaß macht, dabei zu sein.
Man könnte das auch anders machen, etwa die Entstehungszeit der Operette nicht so konsequent ausblenden oder aus unserer Gegenwart in die Geschichte einsteigen. In Leipzig erzählt man die Geschichte vom Blatt. Da es aber ein so wunderbar handkoloriertes ist, geht es auch so!
Neben den Protagonisten, dem hauseigenen Ägypter-Ballett und dem spielfreudigen Chor sind es vor allem Chefdirigent Stefan Klingele und das Orchester, die das Vergnügen dieser Ägyptenreise garantieren.
- Nächste Vorstellungen: am 1., 2., 4., 15., 16., 29., 30 April 2017