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Yolanda Auyanet und Stepanka Pucalkova in Bellinis „Norma“ an der Semperoper. Foto: Ludwig Olah
Yolanda Auyanet und Stepanka Pucalkova in Bellinis „Norma“ an der Semperoper. Foto: Ludwig Olah
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Die spinnen, die Römer: Peter Konwitschny inszeniert Bellinis „Norma“ an der Semperoper

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Wir befinden uns im zweiten Oktober von Corona. Ganz Deutschland ist von den Viren besetzt … Ganz Deutschland? Nein! Einige von unbeugsamen Menschen bevölkerte Inseln hören nicht auf, dem kulturellen Stillstand Widerstand zu leisten. Sie sorgen für lebendige Kunst. Als Anfang Oktober in der Semperoper Dresden die Premiere von Vincenzo Bellinis Oper „Norma“ gefeiert wurde, war von Asterix kaum eine Spur.

Halbdunkel der Saal, noch dunkler der Bühnenraum, doch während des Vorspiels leuchtete das Saallicht hell auf. Achtung, heißt das, jetzt sind wir alle gemeint und werden hineingezogen in ein Spiel um Liebe und Krieg, Betrug und archaischen Götterglauben. Die folgenden gut zweieinhalb Stunden boten Wechselspiele aus gallischem Historiendrama, männlich feiger Unentschlossenheit und dem ewigen Schlaf der Vernunft, eine Melange aber auch aus genussvollem Belcanto und faszinierend verstörendem Musiktheater.

Das führte zunächst in die finstersten Gestade der noch nicht napoleonisch abgeholzten Wälder des späteren Frankreich. Gelbbezopfte Wesen, mit Knüppeln bewehrt, huschten zwischen den mächtigen Stämmen herum und wollten sich ihre Daseinsform gegen die brutalen Besatzer aus Rom bewahren. Als wär’s ein Stück aus den Jugoslawien-Kriegen der 1990er Jahre oder aus dem Afghanistan-Desaster der jüngsten Vergangenheit. Aber so leicht hat es sich die Regie nicht gemacht, hier Parallelen zu setzen, da sollte das Publikum schon von selber drauf kommen.

Peter Konwitschny liebt es bekanntlich, mit seinen Inszenierungen zu überraschen, indem er Erwartungen erst einmal unterwandert, dann aber seine kritischen Botschaften grell aufblitzen lässt. Die Dresdner „Norma“ in der bewährten Ausstattung von Johannes Leiacker beginnt in grauer Vorzeit, als Gottesfurcht noch über die menschliche Liebe gestellt wurde, und ist in ein Heute geplant, das der Menschheit kaum nennenswerten Fortschritt zu attestieren vermocht hat. Noch immer enden Glaubens- und andere Machtkämpfe blutig und bilden wachsende Gräben den Ausgangspunkt neuer Schlachten. Wenn dabei die Entstehungszeit dieser Oper bedacht wird, in der katholisch reaktionäres Kirchentum jeglichen Aufbruch in ein italienisches Nationalbewusstsein mit fremder Gewalt unterbinden ließ, kann das Allgemeingültige von Bellinis „Norma“ deutlich gemacht werden.

Die Titelfigur, eine gallische Oberpriesterin, hat sich ausgerechnet in den römischen Prokonsul Pollione verliebt und mit ihm zwei Kinder bekommen, die sie vor ihrem Volk geheimhalten muss. Den erhofften Krieg gegen die Fremden will sie nicht auslösen. Erst, als sie erfährt, dass der Geliebte sich von ihr abgewendet und die Novizin Adalgisa erobert hat, schwört sie blutige Rache. Doch den Mord an den gemeinsamen Kindern bringt sie nicht übers Herz – warum sollten Unschuldige sterben?! – und will stattdessen eine Priesterin opfern lassen, die das Keuschheitsgelübde gebrochen hat. Also sich selbst. Indem er die Größe dieser Liebe erkennt, folgt Pollione ihr in den Tod.

Das Lieben ist nicht leicht für römische Legionäre, die mit erhobenem Schwert in weißer Toga durch die Wälder streifen, um im grauen Anzug zu sterben … Neben manch kruden Szenen, der omnipräsenten Sichel etwa, die zum Mistelschneiden dient, aber kaum als Allegorie für den Scheiterhaufen, ist vor allem das Finale dieser Deutung missverständlich gewesen. Solange Menschen ihren selbsterschaffenen Göttern frönen, werden sie sich bekriegen und bleiben Barbaren Barbaren?

Ein heiseres Buh krönte diese Inszenierung, dem aber lebhafter Beifall für das unter Gaetano d’Espinosa mit ausgewogener Brillanz (nach anfänglicher Mezzo-Unentschlossenheit) aufspielende Orchester, den formidablen Staatsopernchor und die exzellente Solistenriege gefolgt ist. In der Titelpartie eine anfangs etwas schrill wirkende Yolanda Auyanet, die ihre schier unbegrenzt wirkende Vokalkraft erst nach der bejubelten Cavatine „Casta diva“ gänzlich entfesselt hat und mit darstellerischem Draufgängertum voll in dieser Rolle aufgegangen ist. Ob als Priesterin oder als Mutter, ob liebend, verletzt oder voll Rachedurst, man konnte ihr diese Figur in jedem Moment absolut abnehmen.

Ebenso ihrer unfreiwilligen Konkurrentin Adalgisa, die in Stepanka Pucalkova eine exzellente, mit vokaler Wärme bis hin zum emotionalen Schmelzpunkt agierende Sängerdarstellerin gefunden hat. Heldisch tenoral der Pollione von Dmytro Popov, grundig basiert Alexandros Stavrakakis als das gallische Oberhaupt Oroveso, dem Tochter Norma letztlich ihre Kinder anvertraut. Auch die vergleichsweise kleineren Partien – Roxana Incontrera als Normas Vertraute Clothilde, Jürgen Müller als Polliones Freund Flavio sowie Leonie Nowak als Tempelwächterin – konnten sich tadellos in dieses Stimmfest einfügen. Ein gallisches Siegerbankett war da gar nicht mehr nötig.

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